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Wissenschaftliche Politikberatung: Epistemisch-institutionelle Charakteristika von Expertenkommissionen

Subject Area Theoretische Philosophie
Term from 2010 to 2015
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 165237803
 
Final Report Year 2015

Final Report Abstract

Hervorzuheben sind Ergebnisse für das Merkmal der Robustheit. Es konnte gezeigt werden, dass die SSK – bewusst oder unbewusst – über den Zeitraum ihres Bestehens hinweg unterschiedliche Strategien entwickelte, die dazu dienen, die Beständigkeit ihrer Empfehlungen und ihrer eigenen Institution abzusichern. In epistemischer Hinsicht sind diese Strategien größtenteils dem mit Unsicherheit behaftetem Wissen im Bereich des Strahlenschutz geschuldet: Dort wo Wissenslücken bestehen oder unter Unsicherheit modelliert werden muss, werden beispielsweise Grenzwerte besonders niedrig angesetzt. Zudem besteht eine enge Verknüpfung zwischen dem Aufdecken von Wissenslücken und Unsicherheiten sowie der Forderung nach weiterer Forschung. Mit Bezug auf diese Forschung stellt die SSK nicht nur Kriterien für deren Bewertung auf (Nachweis, Hinweis, Verdacht), sondern versucht auch, neue Erkenntnisse zeitnah in Empfehlungen umzusetzen, sollten sie (politischen) Handlungsbedarf suggerieren. Die Empfehlungen der Kommission setzen einen pragmatischen Akzent, in dessen Folge diese keineswegs als Ausdruck des wissenschaftlichen Forschungsstands gelten können – im Gegensatz zum ausdrücklichen Selbstverständnis der Kommission als einer Gemeinschaft von Fachleuten, die sich von gesellschaftlichen und politischen Erwägungen fernhält. So bleiben markante Änderungen der wissenschaftlichen Einschätzung von Strahlungsrisiken folgenlos, weil diesen Risiken durch einfache Schutzmaßnahmen entgegengewirkt werden kann. In die gleiche Richtung pragmatischer Abschätzungen gehen die Interpolationen zu den Risiken niedrig dosierter Strahlung. In institutioneller Hinsicht konnte gezeigt werden, dass die SSK dauerhaft daran arbeitet, sich als glaubwürdige und vertrauenswürdige Institution zu positionieren. Auch hier konnten unterschiedliche Strategien aufgezeigt werden, so etwa der Bezug auf eigene vorangegangene – und durch neue Kenntnisse bestätigte – Empfehlungen oder die stets mitgedachte Umsetzbarkeit oder Praktikabilität ihrer Empfehlungen. Überraschend war die starke Selbstverpflichtung der Kommission auf das Objektivitätsideal des neutralen Fachmanns, das in der einschlägigen Literatur weitgehend verabschiedet ist und das in der praktischen Arbeit der Kommission oftmals gar nicht umsetzbar war. Diese Betonung ist wohl als Autoritätsgestus zu verstehen: Die SSK sichert ihre Vertrauenswürdigkeit durch den Appell an die eigene Erkenntnisüberlegenheit. Zugleich versucht sie einen Spagat zu einer stärkeren Aufnahme von Befürchtungen aus der Bevölkerung, ebenfalls aus Gründen der Glaubwürdigkeitssicherung, schreckt dabei jedoch vor partizipativen Verfahren zurück. Die im Projekt gewonnenen Einsichten können herangezogen werden, um weitere Fallbeispiele aus der wissenschaftlichen Politikberatung zu analysieren und kontrastieren. Dies gilt für die Untersuchung umfassender, globaler Fragestellungen wie etwa dem Klimaschutz, ebenso wie für lokale geprägte Problemstellungen. Gemein ist ihnen in der Regel das Bemühen um nachhaltige bzw. robuste Empfehlungen, deren Akzeptanz auf Vertrauen und Glaubwürdigkeit in die jeweilige Institution beruht.

Publications

  • (2010), Scientific Knowledge and Scientific Expertise: Epistemic and Social Conditions of their Trustworthiness, in: Analyse und Kritik 32, S. 195–212
    Carrier, Martin
  • (2014), Reducing Uncertainties with Scenarios?, in: F. Uekötter & U. Lübken (Hg.), Managing the Unknown. Essays on Environmental Ignorance, Oxford/New York: Berghahn Books
    Altenburg, Cornelia
  • (2014), Wissenschaftliche Expertise: Bedingungen ihrer Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit, in: A. Bora, A. Henkel & C. Reinhardt (Hg.), Wissensregulierung und Regulierungswissen, Weilerswist: Velbrück, S. 157-174
    Carrier, Martin
  • (2015), Improving Energy Decisions. Towards Better Scientific Policy Advice for a Safe and Secure Future Energy System, Heidelberg: Springer, Chap. 2-3
    Droste-Franke, Bert, Martin Carrier, Matthias Kaiser, Miranda Schreurs, Christoph Weber, Thomas Ziesemer
  • (2015), Viele Köpfe, eine Stimme. Identität und Autorität der Strahlenschutzkommission, in: S. Azzouni, S. Böschen & C. Reinhardt (Hg.), Erzählung und Geltung. Wissenschaft zwischen Autorschaft und Autorität, Weilerswist: Velbrück Wissenschaft, S. 355-374
    Altenburg, Cornelia
 
 

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