Anlage "Kryogene Edelgase"
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Labor „Kryogene Edelgase“ dient zu Experimenten und zu technischen Entwicklungen mit kryogenen Edelgasen (vorwiegend Xenon) zunächst für Experimente zur Suche nach Dunkler Materie (XENON100, XENON1T, XENONnT, DARWIN) aber später auch für andere Anwendungen z.B. zur Entwicklung von Detektoren in der Medizintechnik. Das Herzstück der Anlage ist ein Gasverteil- und Reinigungsanlage, die im Standardbetrieb 3 verschiedene Kryostate mit Xenongas versorgt und dieses Gas wieder zurücknehmen kann. Das Gas wird auf ppb-Reinheit (Verunreinigungsanteil ≤ 10^-9) mit heißen Zirkoniumgettern gereinigt. Die besonders für unsere Anwendungen kritischen elektronegativen Verunreinigungen mit Sauerstoff und Wasser wurden auf einige 10 ^-10 bestimmt. Eventuelle Verunreinigungen können mit einem hochempfindlichen Quadrupolmassenfilter mit vorgeschalteten differentiellen Pumpstrecken und LN 2-Kühlfalle gemessen werden. Die Anlage diente als Prototyp für das Gasreinigungssystem des Dunkle Materie-Experimentes XENON1T im italienischen Untergrundlabor LNGS, das wir im Rahmen der BMBF-Verbundforschung entwickelt und aufgebaut haben. Zur Messung der Gasreinheit, aber vor allem zur Entwicklung von Kalibrationsmethoden und für kleine Kalibrationsexperimente wurde eine 2-Phasen Xenon-Zeitprojektionskammer (TPC) entwickelt und aufgebaut. Diese 2-Phasen-Xenon-TPC besitzt 7 Photomultiplier in der Gasphase und 7 Photomultiplier in der Flüssigphase, so dass ein Wechselwirkungspunkt 3-dimensional rekonstruiert werden kann. Mit einem Xenon- Inventar von knapp 3kg ist es quasi der kleine Bruder des XENON100-Detektors im LNGS. Dieser Detektor bereitete anfangs Schwierigkeiten bei der Füllung mit flüssigem Xenon und der Drift der Elektronen im flüssigen Xenon. Beide Probleme wurden gelöst und es konnten schon neue Kalibrationsmethoden (z.B. mit einer Ra-220-Quelle der Gruppe aus Perdue/USA) erfolgreich getestet werden. Detaillierte Kalibrationsmessungen und -methodenentwicklungen mit einer Rb-83-Quelle (Kr-83m-Emitter) wurden in 2015 begonnen und in 2016 fortgesetzt. Eine in diesem Labor entwickelte Kr-83m- Emitter mit effizienter Rb-83-Rückhaltung wurde zum Untergrundlabor LNGS transportiert und dort erfolgreich am XENON100-Experiment eingesetzt. Das anthropogene Isotop Kr-85, eine der Hauptuntergrundquellen bei der Suche nach Dunkler Materie mit Xenon-Detektoren, ist zu einem sehr geringen Anteil (2*10^-11) in natürlichem Krypton enthalten. Zur Reinigung des Xenongases von Spuren von Krypton, die immer bei der Herstellung des Xenongases durch Luftzerlegung vorhanden sind, wurde eine kryogene Destillationssäule mit Unterstützung durch einen Experten des Tritiumlabors Karlsruhe vom Karlsruher Institut für Technologie erfolgreich entwickelt und aufgebaut. Die Besonderheiten dieser Anlage im Gegensatz zu kommerziellen Destillationsanlagen sind extreme Reinheit der Bauteile, vollständige Anwendung von Ultrahochvakuumtechnologie und die Möglichkeit, an vielen Stellen die Prozessparameter zu erfassen und Gasanalysen durchführen zu können. In Münster wurden dazu zwei sehr empfindliche online-Krypton-in-Xenon- Nachweismethoden erfolgreich entwickelt (Quadrupolmassenfilter hinter LN 2-Kühlfalle, Empfindlichkeit < 10^-10, sowie radioaktive Tracermethode mit Kr-83m-Doping und online Zerfallsnachweisdetektion). Die letztgenannte Methode erlaubt die einmalige Beobachtung der Dynamik des Destillationsprozesses und damit, viele Parameter direkt zu bestimmen. Am Reinstgasauslass der Destillationssäule konnten diese Methoden aber nichts mehr nachweisen, d.h. die Destillation funktionierte ausgezeichnet. Deshalb haben Kollegen des Max-Planck-Instituts für Kernphysik aus Heidelberg Proben genommen und mit ihrer Rare Gas Mass Spectroscopy-Methode vermessen. Dabei wurde auch das Limit dieser noch viel höheren Messempfindlichkeit erreicht und es konnte nur eine Obergrenze für Krypton von 26 ppq (26*10^-15) angegeben werden, was fast zwei Größenordnungen geringer als alle Kryptonanteile ist, die bisher in Experimenten mit Xenon zur Suche nach Dunkler Materie (XMASS, LUX, PandaX, XENON100) erreicht wurden! Damit ist eine der Hauptuntergrundquellen (Isotop) Kr-85 für zukünftigen Dunkle Materie-Experimenten mit Xenondetektoren (XENON1T, XENONnT, DARWIN) so reduziert, dass sie keine Rolle mehr spielt. Die kryogene Destillationssäule wurde danach mit Hilfe der BMBF-Verbundforschung auf die 3-fache Packungshöhe (knapp 3m) erweitert, um die Trennleistung in einem Destillationsschritt weiter zu erhöhen und temporär zum Untergrundlabor LNGS gebracht, um dort die 3,5t Xenongas von XENON1T zu prozessieren. Weiterhin wurde eine dritte Xenon-Apparatur aufgebaut, die einen LXe-Kryostat aus Quarzglas beherbergt. Dort kann VUV-Licht einer Deuteriumlampe, wellenlängenselektiert mit einem Vakuumspektrographen auf einen dreh- und verschiebbaren VUV-Reflektor in den LXe-Kryostaten fokussiert und dort von einem rotierbareren Photomultiplier winkelselektiv und automatisiert gemessen werden. Mit dieser Apparatur konnten die Teflongeometrie und die mechanischen und chemischen Bearbeitungsschritte auf Reflexions-eigenschaften bzgl. des Szintillationslichtes von LXe für das XENON1T-Experiment optimiert werden (Messungen der Doktorarbeit eines Berner Doktoranden aus der XENON-Kollaboration im Münsteraner Labor). Weiterhin wurde ein Pumpenmessstand aufgebaut, zum Test einer in Zusammenarbeit mit der Universität Stanford und Rensselaer Polytechnic Institute entwickelten hermetisch versiegelten, magnetischen Kolbenpumpe, die praktisch kein Radon emaniert, da kommerzielle Xenongaspumpen für die nächste Generation von Dunkle Materie-Experimenten zu viel des radioaktiven Radons freisetzen. Für die Zukunft sind Szintillatortests in Zusammenarbeit mit der medizinischen Fakultät in Münster geplant.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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In situ measurements of krypton in xenon gas with a quadrupole mass spectrometer following a cold-trap at a temporarily reduced pumping speed. Journal of Instrumentation, 8 (2013) P02011
E. Brown, S. Rosendahl, C. Huhmann, C. Weinheimer and H. Kettling
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A cryogenic distillation column for the XENON1T experiment. Journal of Physics: Conference Series 564 (2014) 012006
S Rosendahl, E Brown, I Cristescu, A Fieguth, C Huhmann, M Murra and C Weinheimer
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A novel 83mKr tracer method for characterizing xenon gas and cryogenic distillation systems. Journal of Instrumentation, 9 (2014) P10010
S. Rosendahl, K. Bokeloh, E. Brown, I. Cristescu, A. Fieguth, C. Huhmann, O. Lebeda, C. Levy, M. Murra, S. Schneider, D. Venos and C. Weinheimer
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Determination of the separation efficiencies of a single-stage cryogenic distillation setup to remove krypton out of xenon by using a Kr-83m tracer method. Review of Scientific Instruments 86 (2015) 11, 115104
R. Rosendahl, E. Brown, I. Cristescu , A. Fieguth , C. Huhmann , O. Lebeda , M. Murra , and C. Weinheimer
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A Rn-220 source for the calibration of low-background experiments. Journal of Instrumentation 11 (2016) P04004
R.F. Lang, A. Brown, E. Brown, M. Cervantes, S. Macmullin, D. Masson, J. Schreiner, H. Simgen
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Physics reach of the XENON1T dark matter experiment. Journal of Cosmology and Astroparticle Physics, 04 (2016) 027
E. Aprile et al. (XENON Collaboration)