Wissens-Experten und Berater in sich entwickelnden Demokratien
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Gegenstand des Forschungsvorhabens war die Frage nach der Abhängigkeit lokaler Regierungen von externen (internationalen) Wissens-Experten und Beratern und den Auswirkungen ihrer Tätigkeit in sich entwickelnden Demokratien. Am Beispiel Südafrikas und Tansanias wurde untersucht, inwieweit im Auftrag von Hilfsorganisationen agierende Experten in der Lage sind, durch die Bereitstellung von Beratungswissen auf politische Entscheidungen und Strategien einzuwirken. Die Studie konzentrierte sich dabei auf drei Politikfelder, welche durch hohe politische Priorität, starkes Geberengagement und Wissensabhängigkeit gekennzeichnet sind: Bildung, Gesundheit und Umwelt. Für die Rekonstruktion politischer Prozesse in diesen Bereichen wurden in den Jahren 2011, 2012 und 2013 insgesamt 73 leitfadengestützte Experteninterviews geführt; zur sozialstrukturellen Verortung und Beschreibung der Stichprobe wurde zusätzlich ein standardisierter Fragebogen distribuiert. Um das Interviewmaterial zu kontextualisieren, wurde eine Vielzahl von Dokumenten (u.a. Regierungsprogramme, Geberstrategien, Sektorstudien, Projektbeschreibungen, Evaluationen) herangezogen. Anhand empirischen Materials deckt die Untersuchung strukturelle Problematiken von Politikberatung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit auf, welche dem Transfer von Wissen entgegenstehen: die Verflechtung von Hilfsleistungen und Politik, welche zu interessengelenkten Beratungsprozessen, Legitimationszwängen und einer Nichtübereinstimmung von Angebot und Nachfrage an Expertise führt; obstruktive Beratungsbedingungen, die aus den Einstellungspraktiken auf Geberseite resultieren und unter anderem die Bildung von Vertrauen auf Akteursebene behindern; sowie ungleiche Machtverhältnisse zwischen externen Experten und den Empfängern von Beratung, die durch die Hierarchisierung von ,internationalem` und ,lokalem' Wissen verstärkt werden. Die komparative Analyse der sechs Fallstudien zeigt, dass die Fähigkeit von Empfängerregierungen, ihre Politikgestaltungsautonomie zu wahren, maßgeblich von drei strukturellen Faktoren abhängt: dem Ausmaß finanzieller (Un-) Abhängigkeit von ausländischen Hilfsgeldern, der Absorptionsfähigkeit der Verwaltung sowie der Stärke der lokalen Wissensbasis. Während die Relevanz ökonomischer Bedingungen für den Grad externer Einflussnahme nicht überrascht, ist die Bedeutung der administrativen und wissenschaftlichen Kapazität zur Durchsetzung einer lokalen Agenda ein von der Forschung bislang wenig aufgegriffener entscheidender Punkt. Fehlen eine fähige Bürokratie und eine funktionierende science community, die als kritische Instanzen in der Lage sind, Beratungswissen zu überprüfen, zu adaptieren und anzuwenden, laufen Rezipienten auch bei vergleichsweise guter finanzieller Ausgangslage Gefahr, die Kontrolle über die politische Agenda zu verlieren. Vor dem Hintergrund der Studie erscheint eine Weiterführung der bisherigen Beratungspraxis wenig hilfreich, wenn nicht sogar nachteilig für Entwicklungsdemokratien zu sein. Letztere müssten stattdessen darin unterstützt werden, die eigene Wissensbasis stärker zu nutzen, um ihre Abhängigkeit von Geberländern zu verringern und die Richtung gesellschaftlicher Transformationsprozesse souverän bestimmen zu können.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
(2014): "Shaping the Fabrics of the State: The Impact of External Experts on Policy Processes and Governance in Young African Democracies" - ASAUK (African Studies Association of the UK) Conference 2014, University of Sussex, Brighton (UK)
Steiger, Susanne
-
(2014): "Undermining Democracy? The Impact of Expert Advice on Policy Processes and Governance in Aid Receiving Countries" - 12th Development Dialogue 2014: Rethinking Democracy, International Institute of Social Studies, Erasmus University Rotterdam, Den Haag (Niederlande)
Steiger, Susanne
-
(2015): The Impact of Foreign Experts on Policymaking in Young Democracies — A Comparative Analysis of South Africa and Tanzania, Dissertation. Universität Bielefeld
Koch, Susanne
-
(2016): "External Experts' Influence on Forest Governance in Tanzania" - 1st International Forest Policy Meeting, Universität Göttingen, Hann. Münden
Koch, Susanne
-
(2016): "Integrating science into environmental policyrnaking: insights from South Africa" - IUFRO International and Multi-disciplinary Scientific Conference: Forest-related policy and governance: Analyses in the environmental social sciences, Bogor Agricultural University, Bogor (Indonesien)
Koch, Susanne
-
(2016): "Preventing 'Partnership', Perpetuating Dependence: The Detrimental Effects of Knowledge Hierarchies on International Cooperation" - DSA 2016 Conference: Politics in Development, University of Oxford, Oxford (UK)
Koch, Susanne
-
(2016): International influence on forest governance in Tanzania: Analysing the role of aid experts in the REDD+ process. Forest Policy and Economics
Koch, Susanne
-
(2016): Norway's Tanzania REDD+ adventure. Another forestry experiment gone awry. Development Today xxvi (12-13), p. 14-15
Lund, Jens Friis; Mabele, Mathew Bukhi; Koch, Susanne
-
(2016): The Delusion of Knowledge Transfer: The Impact of Foreign Aid Experts on Policy-making in South Africa and Tanzania. Cape Town: African Minds (ISBN 978-1-928331-39-1)
Koch, Susanne & Weingart, Peter