Entwicklung eines spezifischen Inhibitors der Proteinkinase DYRK1A
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Proteinkinase DYRK1A (Dual specificity tYrosine phosphorylation-Regulated Kinase) ist ein wichtiger Regulator der Differenzierung von Nervenzellen und zieht besonders deshalb wachsendes Interesse auf sich, weil der Überexpression des DYRK1A-Gens eine wichtige Rolle bei der veränderten Gehirnentwicklung bei Down-Syndrom zugeschrieben wird. Biochemisch ist DYRK1A dadurch ausgezeichnet, dass das Enzym seine volle katalytische Aktivität als Serin-/Threonin-spezifische Proteinkinase erst durch die Autophosphorylierung eines Tyrosinrestes in der katalytischen Domäne erlangt. Ziel dieses Projekts war die Entwicklung eines spezifischen Inhibitors von DYRK1A, um ein molekulares Werkzeug zur funktionellen Untersuchung von DYRK1A in lebenden Systemen zu generieren. Dabei sollte auch die Frage geklärt werden, ob Hemmstoffe der aktivierenden Tyrosin-Autophosphorylierung eine irreversible Wirkung auf die Kinaseaktivität entfalten. Das Alkaloid Harmin ist ein sehr effektiver Inhibitor von DYRK1A, hemmt aber auch die Monoamin-Oxidase A (MAO-A) bereits bei sehr niedrigen Konzentrationen. Durch systematische strukturelle Veränderungen erzeugten wir 68 Harmin-analoge Verbindungen, um einen wirksamen DYRK1A Inhibitor ohne Wirkung auf MAO-A zu identifizieren. Unter mehreren Substanzen, die diese Kriterien erfüllten und außerdem die Aktivität von DYRK1A in Zellkultur effektiv hemmten, wurde AnnH75 als bestgeeigneter Inhibitor ausgewählt. Die Röntgenstrukturanalyse bestätigte die aus Modellen vorhergesagte Bindung von AnnH75 in der ATP-Bindungstasche der katalytischen Domäne. Unter 300 getesteten Proteinkinasen wurden bei einer Konzentration von 1 µM außer DYRK1A nur 5 weitere Kinasen gehemmt, womit AnnH75 die gleiche Kinase-Selektivität wie Harmin aufweist. Mit AnnH75 steht jetzt ein ausreichend potenter und selektiver Inhibitor zur Verfügung, mit dem die physiologische Rolle von DYRK1A auf zellulärer Ebene ohne Seiteneffekte auf die MAO-A untersucht werden kann. Die angestrebte Verwendung in Tierversuchen wird von den noch nicht untersuchten pharmakokinetischen Eigenschaften abhängen. Unsere biochemischen Untersuchungen des Aktivierungsmechanismus von DYRK1A haben unser Verständnis von der dualen Spezifität der DYRK-Kinasen in mehreren Punkten revidiert. Anders als bisher postuliert katalysiert DYRK1A nicht nur die irreversible, aktivierende Autophosphorylierung, sondern kann auch als reifes Enzym später andere Tyrosine phosphorylieren. Außerdem konnte die Hypothese nicht bestätigt werden, dass Inhibitoren die Serin-/Threoninkinase und die Tyrosinkinase-Aktivität von DYRK1A selektiv hemmen können. Diese Erkenntnisse zum Aktivierungsmechanismus von DYRK1A stimmen mit den Resultaten anderer Arbeitsgruppen zu der verwandten Kinase HIPK2 überein und sind auch für das Verständnis anderer Proteinkinasen relevant, deren Aktivität durch Tyrosinphosphorylierung reguliert wird.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Activation, regulation, and inhibition of DYRK1A. FEBS J 278:246- 256 (2011)
Becker W, Sippl W
- Specific CLK inhibitors from a novel chemotype for regulation of alternative splicing. Chem Biol 18:67-76 (2011)
Fedorov O, Huber K, Eisenreich A, Filippakopoulos P, King O, Bullock AN, Szklarczyk D, Jensen LJ, Fabbro D, Trappe J, Rauch U, Bracher F, Knapp S
- Mechanism of dual specificity kinase activity of DYRK1A. FEBS J 280:4495-511 (2013)
Walte A, Rüben K, Birner-Gruenberger R, Preisinger C, Bamberg-Lemper S, Hilz N, Bracher F, Becker W
(Siehe online unter https://doi.org/10.1111/febs.12411) - DYRK1A: A Potential Drug Target for Multiple Down Syndrome Neuropathologies. CNS Neurol Disord Drug Targets 13:26-33 (2014)
Becker W, Soppa U, Tejedor FJ
(Siehe online unter https://doi.org/10.2174/18715273113126660186)