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Die Berliner Intellektuellen 1800-1830. Zur Entstehung einer sozialen Gruppe, ihren Netzwerken, ihrer politischen Rolle und ihrem Ort in der Ideengeschichte.

Fachliche Zuordnung Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Förderung Förderung von 2010 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 170049193
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Gefragt war nach Form und Bedeutung der Teilnahme von Gelehrten am öffentlichen Leben mit besonderer Berücksichtigung ihrer Kommunikationsstrategien und der damit einhergehenden politischen Stellungnahmen im Berlin der Jahre 1800-1830. Es wurde gezeigt, dass die Politisierung nicht in ausdrücklichen bzw. ideologischen Positionierungen zu suchen ist, sondern vielmehr in der Handhabung des Bewusstseins einer öffentlichen Präsenz vorrangig in Schriften, aber auch in geselligen Kontexten. Die ausgesuchten Untersuchungsbereiche haben sich als höchst ertragreich erwiesen. Die Berliner Universität war unmittelbar nach ihrer Gründung eine in ihren institutionellen Fundamenten noch plastische Struktur, die es den Akteuren möglich machte, sowohl den eigenen Handlungsspielraum auszuloten als auch das Profil der Institution mitzudenken und zu gestalten. Die Ausprägung der französischen Kultur (der zweite Schwerpunkt im Projekt) spielte nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch auf ästhetischer Ebene eine zentrale Rolle. Die Ausstrahlung der Berliner Akademie der Wissenschaften, so konnte gezeigt werden, spielte insbesondere durch die Wirkung ihrer Mitglieder hugenottischer Abstammung eine Rolle sowohl für die Entwicklung des preußischen Adels als auch für die europaweiten Wissenschaftsstrukturen. Im dritten Projektschwerpunkt wurden nicht so sehr Strategien der Etablierung als Schriftsteller_in herausgearbeitet als Veröffentlichungsstrategien zur Durchsetzung eigener literarischer, wissenschaftlicher, politischer, wirtschaftlicher Interessen. Die Romantik als Moment der Genieästhetik konnte hinterfragt werden, indem die Vielfalt der Vernetzungs- und Kollaborationsstrategien, ja auch die Rolle des Autorennamens als Markenzeichen, detailliert analysiert und dargelegt wurden. Die enge Verbindung zwischen den in diesem Prozess greifenden Mechanismen und Phänomenen der (Selbst)zensur in der Textarbeit standen dabei im Mittelpunkt. Darauf fokussierte sich (vierter Schwerpunkt) die Analyse der Artikulation politischer Stellungnahmen in literarischen bzw. wissenschaftlichen Texten. Die Originalität des Vorhabens war in der Anwendung philologischer Methoden auf politisch orientierte Fragestellungen verortet, mit einem Schwerpunkt bei der Gattung Brief. Über die Anfangshypothese hinaus, dass Briefe an der Schnittstelle zwischen Privatheit und Öffentlichkeit stehen, konnten Phänomene der Literarisierung und Inszenierung als Selbstbzw. Fremdpositionierungen innerhalb der intellektuellen Netzwerke herausgearbeitet werden. Die Ausweitung der Methodik auf digitale Herangehensweisen hat sowohl eine genauere Arbeit am Text (durch die Entwicklung einer eigenen Annotationssystematik, die als Analyseraster für die gesamte Gruppe diente) gefördert als auch eine produktive Umsetzung des Netzwerkbegriffs in die Forschungsarbeit ermöglicht (Modellierung von Beziehungen, Zirkulationen, Genealogien). Die digitale wissenschaftliche Edition Briefe und Texte aus dem intellektuellen Berlin um 1800 hat sich als Referenz etabliert. Es wurden zu zentralen Autoren der hier in den Blick genommenen Periode Grundlagenuntersuchungen vorgelegt (Boeckh, Chamisso), neuartige Methoden entwickelt und ein wissenschaftliches Markenzeichen etabliert, das über Disziplinen und Grenzen hinweg anerkannt ist. Und es wurde Zugang zu einer Fülle von Material verschafft, das ein viel genaueres Bild der Berliner Intellektuelle zwischen 1800 und 1830 gibt und den Weg für eine erneuerte Auseinandersetzung mit romantischer Literatur bereitet. Berliner Zeitung-Artikel zur Verleihung des Caroline-von-Humboldt-Preises: http://www.berliner-zeitung.de/archiv/brauchen-frauen-sonderfoerderung- ,10810590,10748822.html Tagesspiegel-Artikel zum Caroline von Humboldt-Kolloquium (http://www.tagesspiegel.de/wissen/caroline-von-humboldt-die-schillernde-gattin-desuniversitaetsgruenders/4453272.html) Tagesspiegel-Artikel zur Podiumsdiskussion über Digital Humanities in Berlin (http://www.tagesspiegel.de/wissen/digital-humanities-drang-ins-digitale/9558752.html) Teilnahme am Digital Science Slam „Was genau ist ein Text? Literatur im digitalen Zeitalter“ (http://www.tagesspiegel.de/themen/digital-humanities/dr-anne-baillot-was-genau-ist-eintext-literatur-im-digitalen-zeitalter/12540610.html) Interview auf Deutschlandradio Kultur zum Thema Digital Humanities (nur noch Text zugänglich: http://www.deutschlandradiokultur.de/digital-humanities-wie-diedigitalisierung-die-wissenschaft.976.de.html?dram:article_id=326795)

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Netzwerke des Wissens. Das intellektuelle Berlin um 1800, 2011, 410 Seiten
    Anne Baillot (Hg.)
  • Briefe und Texte aus dem intellektuellen Berlin um 1800
    Anne Baillot et al.
  • Französisch-deutsche Kulturräume. Bildungsnetzwerke - Vermittlerpersönlichkeiten - Wissenstransfer, Berlin, 2012, 312 Seiten
    Anna Busch, Nana Hengelhaupt, Alix Winter (Hg.)
  • August Boeckh. Philologie, Hermeneutik und Wissenschaftspolitik, Berlin, 2013, 294 Seiten
    Christiane Hackel und Sabine Seifert (Hg.)
  • The Project ‘Berlin Intellectuals 1800–1830’ between Research and Teaching”, Journal of the Text Encoding Initiative, Issue 4 | March 2013
    Anne Baillot & Sabine Seifert
    (Siehe online unter https://doi.org/10.4000/jtei.707)
  • France-Allemagne. Figures de l'intellectuel entre révolution et réaction 1780-1848, Presses du Septentrion, Villeneuve d'Ascq/Lille, 2014, 210 Seiten
    Anne Baillot (Hg., zs. mit Ayse Yuva)
  • Grundzüge der Philosophie K.W.F. Solgers, LIT, Münster, 2014, 283 Seiten
    Anne Baillot (Hg., zs. mit Mildred Galland-Szymkowiak)
  • Voß' Übersetzungssprache. Voraussetzungen, Kontexte, Folgen, De Gruyter, Berlin, 2014, 300 Seiten
    Anne Baillot (Hg., zs. mit Enrica Fantino und Josefine Kitzbichler)
  • Briefe um 1800. Zur Medialität von Generation, Berlin, 2015, 464 Seiten
    Selma Jahnke, Sylvie Le Moel (Hg.)
  • “Towards a model for encoding correspondence in the TEI: Developing and implementing ”. Journal of the Text Encoding Initiative, Issue 9, 2016 - December 2017 : Selected Papers from the 2014 TEI Conference
    Sabine Seifert, Peter Stadler & Marcel Iletschko
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.4000/jtei.1433)
 
 

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