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Von der kultischen Verehrung zur Verehrung ohne Kult: Felix und Regula in Zürich (8.-18. Jahrhundert

Fachliche Zuordnung Germanistische Mediävistik (Ältere deutsche Literatur)
Förderung Förderung von 2010 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 172064178
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Teilprojekt „Von der kultischen Verehrung zur Verehrung ohne Kult: Felix und Regula in Zürich (8.– 18. Jh.)“ stand der identitätsstiftende Umgang einer textual community – den Einwohnern der Stadt Zürich und ihrer unmittelbaren Umgebung – mit der Erzählung über das Martyrium der Zürcher Stadtheiligen im Mittelpunkt der Forschungen. Realisierungen und Aktualisierungen dieses Subtextes wurden in einem längeren Zeitraum (800–1800) untersucht. Durch die ganze Periode hindurch hat die identitätsstiftende Funktion der Heiligen – unabhängig von politischen, religiösen und kulturellen Umwälzungen – textuelle und andersartige Auseinandersetzungen mit den Märtyrern gefördert. Die schlechte Erschließung des Korpus forderte handschriftliche und philologische Untersuchungen; daraus ging hervor, dass der schriftliche Bericht der Passio mit Veränderungen in der textual community immer neue Fokussierungen erlebte. Die älteste Version, die „Tempore illo“-Passio, stellt die beiden Heiligen als neue Evangelisten dar und prägte bis in die frühe Neuzeit den Diskurs über die christlichen Ursprünge Zürichs. Die weit verbreitete „Multorum innumerabilium“-Version konnte – nach einem überraschenden Handschriftenneufund im Rahmen des Projekts – zweifelsfrei aufs 9. Jahrhundert datiert werden. Die „Qui decem plagis“-Passio wurde – ebenfalls nach handschriftlichen Neufunden im Rahmen des Projekts – ediert, übersetzt und textlich untersucht. Diese möglicherweise in St. Gallen entstandene karolingische Version forcierte die Rückkopplung der Heiligenlegende mit der Bibelexegese der Zeit. Wie Veränderungen im sakral-politischen Kontext direkte inhaltliche Veränderungen der Passio hervorbringen konnten, ging aus der „Cum sancta legio“-Fassung hervor, in der Karl der Große als Identifikationsfigur hinzutrat, womit das Großmünster seinen sakralpolitischen Machtanspruch zu bestätigen versuchte. Damit findet die Herausarbeitung einer städtisch geprägten Legende ihren ersten Abschluss, indem der Text über die Predigttätigkeit und den Tod der Märtyrer einem Prozess der unmittelbaren Referentialisierung unterworfen wird, der in den stark monastisch geprägten frühen Versionen in dieser Form nicht sichtbar ist. Die Verbindung mit Karl dem Großen findet man auch beim Zürcher Chorherrn Felix Hemmerli, der die Heiligen und Karl mittels fiktiver Briefe aus dem Himmel für moralische Zwecke instrumentalisierte. Nicht nur Hemmerli, auch Johann Caspar Lavater lässt die Heiligen, die sich ihm im Traum gezeigt hätten, zu Wort kommen. Dieser Text wurde auch in Zusammenhang mit der revelatio in der frühesten Felix-und- Regula-Passio untersucht. Ferner hat sich das Projekt mit einer Passio von der Hand Heinrich Loriti Glareans und dem Auftreten des dritten Stadtheiligen, Exuperantius, beschäftigt. Noch im 17. Jahrhundert stritten Katholiken und Reformierte darüber, welchen Glauben Felix und Regula verkündet hätten, denn das Ende ihrer kultischen Verehrung bedeutete nicht den Verlust ihres Status als Identifikationsfiguren, die seit jeher die Sakraltopographie Zürichs bestimmten. Die vielfältigen Untersuchungen zeigen, wie die Ansprüche der textual community an der Felix-und-Regula-Legende sich durch die ganze untersuchte Periode hindurch (800–1800) änderten und für Entwicklungen im Textkorpus, aber auch in den bildlichen Darstellungen der Heiligen sorgten. Die erfolgten und geplanten Veröffentlichungen präsentieren eine Fülle bisher unbekannt gebliebener bzw. unzuverlässig edierter Texte, deren Beziehungen untereinander nicht nur von philologischem Interesse sind, sondern vor allem auch die textual community an sich betreffen, die sich in diesen Versionen der sich stets wandelnden Aneignung der Erzählung über die Märtyrer anpasst, auch nach der Zäsur der Reformation. Damit konnten die Ziele des Projektes erreicht werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Sakralität und Sakralisierung. Perspektiven des Heiligen (Beiträge zur Hagiographie 13), Stuttgart 2013
    Andrea Beck/Andreas Berndt (Hrsg.)
  • Martertodt in Helvetischen Landen – Die Heiligen Felix und Regula im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Zürich, in: Sakralität und Sakralisierung. Perspektiven des Heiligen (Beiträge zur Hagiographie 13), hg. v. Andrea Beck/Andreas Berndt, Stuttgart 2013, S. 33–52
    Andrea Beck/Michele C. Ferrari
  • Exuperantius – Heiliger der Stadt?, in: Saints and the City. Beiträge zum Verständnis urbaner Sakralität in christlichen Gemeinschaften (5.–17. Jh.) (FAU Studien aus der Philosophischen Fakultät 3), hg. v. Michele C. Ferrari, Erlangen 2015, S. 149– 175
    Andrea Beck
  • Saints and the City. Beiträge zum Verständnis urbaner Sakralität in christlichen Gemeinschaften (5.–17. Jh.) (FAU Studien aus der Philosophischen Fakultät 3), Erlangen 2015
    Michele C. Ferrari (Hrsg.)
 
 

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