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FOR 1543:  Shear flow regulation of hemostasis - Bridging the gap between nanomechanics and clinical presentation

Fachliche Zuordnung Biologie
Medizin
Förderung Förderung von 2011 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 172540668
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Untersuchungsobjekt der Forschergruppe FOR1543 war der von-Willebrand-Faktor (VWF), ein riesiges Protein im Blutplasma und Blutplättchen. VWF besteht aus langen Proteinketten (Multimere), die sich an Gefäßverletzungen anlagern. Das vorbeiströmende Blut streckt diese Ketten und ermöglicht hierdurch die Bindung von Blutplättchen an VWF. Dieser kraftaktivierte Vorgang setzt die ersten Schritte der Blutstillung in Gang. Unsere Studien haben eine Vielzahl neuer Erkenntnisse über die physiologischen und patho-physiologischen, scherkraftabhängigen Funktionen des VWF hervorgebracht. Die hydrodynamischen Bedingungen des Blutflusses wurden dabei sowohl experimentell als auch in Computermodellen vom Einzelmolekül bis hin zum kollektiven Verhalten von Proteinen und Zellen erfasst und die Rolle der einzelnen Komponenten in der Blutstillung systematisch untersucht. Wir konnten zeigen, dass Wechselwirkungen innerhalb der VWF-Multimere und ihre sehr präzise Antwort auf erhöhte Kräfte dazu führen, dass es zuerst zu einer Aktivierung der Bindung an Blutplättchen kommt und erst danach - wenn der Wundverschluss eingeleitet wurde - eine Inaktivierung mittels ADAMTS13 des VWF möglich wird. Obwohl das Vorkommen der VWF-Multimere schon seit fast 30 Jahren bekannt ist, konnten wir auch in Hinblick auf ihre Produktion und ihre physikalischen und strukturellen Eigenschaften ein großes Maß an Wissenszuwachs erreichen. So haben wir das Enzym identifiziert, das den ersten Schritt der Verknüpfung zu Multimeren durchführt. Des Weiteren untersuchten wir, wie der pH-Wert und die Konzentration von Salzen im Blut die Kraftsensitivität und die Struktur des VWF beeinflussen, und konnten zum ersten Mal die Struktur einer VWF C-Domäne aufklären. Diese Erkenntnisse erweitern unser Verständnis der Funktionen des VWF insbesondere unter den natürlichen Bedingungen im Blutfluss. Eines der wichtigsten klinischen Ergebnisse unserer Studien war die Identifizierung einer häufigen genetischen Variante des VWF, die schon bei niedrigeren Kräften mit Plättchen interagiert als die normale Variante. Diese Daten haben zum ersten Mal gezeigt, dass es nicht nur genetische Varianten des VWF gibt, die zu einer Inaktivierung seiner Funktion und damit zu einer Blutungsneigung führen, sondern auch solche, die die Aktivität erhöhen und so ein Risiko z.B. für einen Herzinfarkt darstellen. Eine erhöhte Aktivität des VWF ist ebenfalls bei Patienten mit Thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura (TTP, Morbus Moschcowitz) nachweisbar. Hier ist sie aber darin begründet, dass das VWF-abbauende Enzym, ADAMTS13, inaktiviert oder abwesend ist. Die Spaltung des VWF durch ADAMTS13 ist ebenfalls ein kraftabhängiger Vorgang, da die VWF A2-Domäne die ADAMTS13- Spaltstelle nur dann freigibt, wenn sie ausreichend stark gestreckt wurde. Liegen eine erniedrigte Aktivität des VWF und/oder ein Verlust der großen VWF-Multimere vor, so kommt es zu der häufigsten erblichen Störung der Hämostase; dem von-Willebrand-Syndrom (VWS). Das VWS wird in verschiedene Untertypen eingeteilt, deren diagnostische Unterscheidung nicht immer eindeutig möglich ist. Sowohl für das VWS als auch für die TTP finden aktuell alle diagnostischen Tests unter statischen Bedingungen statt. Wir haben nun sechs neue biochemische und biophysikalische Assays entwickelt, mit deren Hilfe man Fehlfunktionen von VWF und ADAMTS13 unter physiologischen Flussbedingungen diagnostizieren kann. Gleichzeitig ermöglichen es unsere scherabhängigen Tests, neue Merkmale zu identifizieren und zu charakterisieren, die im statischen Assay nicht nachweisbar sind. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb von FOR1543 ist es gelungen theoretische und molekulare Biophysik und Biochemie über Experimente, im Labor und am Computer, mit klinischen Befunden lückenlos zu verknüpfen und so neue Wege zur Entwicklung diagnostischer und therapeutischer Optionen einzuschlagen.

 
 

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