Ermittlung der Entwurfswindlasten unter Berücksichtigung der Richtungsabhängigkeit des Windklimas, der aerodynamischen Beiwerte und der Beanspruchbarkeiten
Final Report Abstract
Der Entwurf von Bauwerken gegenüber den Einwirkungen infolge von Wind wird im Regelfall der Norm ohne Berücksichtigung der Starkwindrichtung und der Orientierung des Baukörpers vorgenommen, d.h. es wird unterstellt, dass alle Sturmereignisse aus der jeweils für die betrachtete Bemessungsgröße ungünstigsten Richtung kommen. Diese Vorgehensweise ist konservativ, der Grad der Unwirtschaftlichkeit kann allerdings erheblich sein. Grundsätzlich erlaubt die Norm die Berücksichtigung des Windrichtungseinflusses, wenn gesicherte statistische Erkenntnisse vorliegen. Allerdings wird diese Forderung nicht mit einer expliziten Vorgabe für ein Vertrauensintervall verknüpft. Analog zu den grundsätzlichen Regelungen der Norm auf Seiten des Widerstandes hinsichtlich des versuchsgestützten Entwurfs kann als Zielwert ein einseitiges Vertrauensintervall von 75% angesetzt werden. Grundsätzlich sind für das deutsche Starkwindklima drei Sturmtypen zu berücksichtigen: Starksturmtiefs, die nur in einem deutlich begrenzten Sektor auftreten, ihnen ggf. überlagerte Böenfronten sowie Sommergewitter. Aufgrund ihrer relativ kurzen Dauer und der geringeren Grenzschichthöhe sind diese beiden durch konvektive Prozesse geprägten Sturmtypen nicht in allen Entwurfsaufgaben relevant, z.B. können sie für den Entwurf des aussteifenden Kerns eines Hochhauses oder die Bewehrungsermittlung eines Kühlturms vernachlässigt werden. Hinsichtlich des Entwurfs unter Berücksichtigung der Richtungsabhängigkeit stellen sich drei Aufgaben. Die erste Entwurfsausgabe zielt auf die Festlegung des Entwurfswertes für eine lokale oder globale Windeinwirkung sowie einer einzelnen Tragwerksreaktion wie z.B. das bemessungsmaßgebende Rahmeneckmoment. Die zweite Entwurfsaufgabe erfasst zusätzlich feste richtungsabhängige Widerstände, z.B. der rechteckige aussteifende Kern eines Hochhauses. Der dritte Problemkreis umfasst freie richtungsabhängige Widerstandsgrößen wie z.B. die Meridianzugbewehrung für einen Kühlturm als Einzelbauwerk oder in einer Kraftswerksgruppe. Grundsätzlich sind die derzeitigen Angaben der Norm nicht hinreichend, um einen Entwurf unter Berücksichtigung der Windrichtung vorzunehmen. Die Angaben zur Richtungsabhängigkeit der aerodynamischen Beiwerte sind mit zwei orthogonalen Richtungen erheblich zu grob. Außerdem fehlen jegliche Angaben zu den Variationskoeffizienten der extremen aerodynamischen Beiwerte. Eigene Windkanaluntersuchen zu quaderförmigen Baukörpern (Industriehalle und Hochhaus) zeigen auf, dass die in der Norm spezifizierten Beiwerte zahlenmäßig nicht in allen Fällen mit den ermittelten Entwurfswerten übereinstimmen. Für gedrungene Baukörperformen mit Flachdach ist zudem die in der Norm gewählte Zonierung mit senkrechten Trennlinien nicht wirklichkeitsnah. Tatsächlich werden die Sogkräfte auf den Seitenflächen in Bodennähe durch den Hufeisenwirbel geprägt, im Dachbereich durch die tütenförmigen Dachwirbel. Da sich längs der Baukörperkontur die Wirklängen dieser beiden Wirbel unterscheiden und der Hufeisenwirbel stromab sich weiter vom Gebäude entfernt, sind die Konturlinien der Druckbeiwerte gegenüber der Vertikalen deutlich geneigt. Die statistische Stabilität der spezifizierten Entwurfswerte wird durch die statistische Stabilität der beteiligten Basisvariablen beeinflusst. Die statistische Stabilität der extremen aerodynamischen Beiwerte lässt sich steuern, indem entsprechend viele Versuchswiederholungen durchgeführt werden. Demgegenüber verbleibt die statistische Stabilität der Angaben zum Windklima ein grundsätzliches Problem. Aus den nur für wenige Dekaden zur Verfügung stehenden Daten müssen die Entwurfswerte der Windgeschwindigkeit extrapoliert werden. Die relative Häufigkeit als Wahrscheinlichkeitsverteilung über den jeweils betroffen Himmelsrichtungssektor ist ebenfalls nicht statistisch stabil. In der Regel ergeben sich aus diesen statistischen Unsicherheiten allerdings keine zusätzlichen Schiefen in der Verteilung, so dass keine weiteren Anpassungsfaktoren notwendig werden. Die Phase hoher Windgeschwindigkeiten in Starksturmtiefs ist grundsätzlich länger als eine Stunde. Dabei nimmt im statistischen Mittel die relative Intensität in den zusätzlichen Sturmstunden ab. Ändert sich die Windrichtung in den zusätzlichen Sturmstunden nicht oder nur gering, bleibt ihr Einfluss vernachlässigbar, wenn der Variationskoeffizient der extremen aerodynamischen Beiwerte unter 10% liegt. Für größere Variationskoeffizienten können dagegen die zusätzlichen Sturmstunden den Entwurfswert merklich beeinflussen. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die Windrichtung in den zusätzlichen Sturmstunden von der Windrichtung in der stärksten Stunde abweichen. Dabei sind die Abweichungen der Windrichtung in der Regel merklich schief. Der Einfluss der Windrichtungsänderung ist besonders groß für aerodynamische Beiwerte mit ausgeprägt schmalen Verteilungen bezüglich der Windrichtung, wie z.B. Spitzensoglasten an Abrisskanten. Für einen richtungsscharfen Entwurf ist dieser Einfluss zu bilanzieren. Die Daten des DWD weisen bezüglich der Sommergewitter partielle Erhebungslücken bei der Richtung der Tagesspitze auf. Dies führt für die Bilanzierung der Sommergewitter zu einer Modellierungsunschärfe. Im Rahmen des Projektes wird der Ansatz verfolgt, mittels Blitzdaten diese fehlenden Informationen zu erhalten. Hierfür werden zeitlich hochauflösende Geschwindigkeitsmessungen am Flughafen München mit Blitzdaten des Kooperationspartners verglichen. Ziehen Blitzcluster in Richtung des Flughafens oder sogar über ihn hinweg, kann die Richtung der Böe wirklichkeitsnah mittels des geometrischen Schwerpunkts des Blitzclusters ermittelt werden. Ziehen ein oder mehrere Blitzcluster seitlich vorbei, ist die Bestimmung der Richtung weniger eindeutig, so dass in diesen Fällen ein Sektor von 90° für die mögliche Windrichtung der Böe angesetzt werden muss. Insgesamt wurden von 2012 bis 2016 nur vier Starkgewitter mit Böenspitzen über 20 m/s beobachtet. Die Ergebnisse müssen entsprechend in Zukunft anhand weiterer Ereignisse validiert werden.
Publications
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