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Metakognition und Gedächtnis bei Personen mit Zwangsstörungen

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2010 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 173615368
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Verschiedene Studien belegen für die Zwangsstörung Beeinträchtigungen der verbalen Gedächtnisleistung, insbesondere, wenn das zu enkodierende Material zuvor selbstständig organisiert werden muss. Die Ursache dieser Beeinträchtigung ist hingegen noch nicht hinreichend bestimmt. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Untersuchung der Auswirkung erhöhter kognitiver Selbstaufmerksamkeit auf die Gedächtnisleistung sowie der zugrundeliegenden neuronalen Mechanismen bei Personen mit Zwangsstörungen. Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurden drei Studien durchgeführt (zwei behaviorale Studien, eine Bildgebungsstudie mit funktioneller Magnetresonanztomographie) mit insgesamt 72 Probanden mit Zwangsstörung, 36 Probanden mit Major Depressive Disorder und 98 gesunden Kontrollprobanden. Es wurden jeweils multiple Paar-Assoziationen unter drei Lernbedingungen gelernt. So wurde eine Kontrollbedingung ohne Manipulation/ leichte Manipulation der Aufmerksamkeit mit zwei Bedingungen der geteilten Aufmerksamkeit verglichen. In der behavioralen Studie 1 wurde die Kontrollbedingung mit einer Lernbedingung mit paralleler Beobachtung neutraler Gedanken sowie mit einer Lernbedingung mit externer sekundärer Aufgabe verglichen. Es wurden Probanden mit Zwangsstörung, Probanden mit Major Depressive Disorder und gesunde Kontrollprobanden eingeschlossen. Die kognitive Selbstaufmerksamkeit konnte durch die Beobachtung neutraler Gedanken erfolgreich gesteigert werden. Dies führte in allen drei Gruppen zu einer Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung im Vergleich zu den anderen beiden Bedingungen. Die Behaltensleistung war auch durch die externe sekundäre Aufgabe im Vergleich zur Kontrollbedingung reduziert. Über alle drei Bedingungen hinweg war die Gedächtnisleistung in der Gruppe mit Zwangsstörung im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden reduziert, unterschied sich aber nicht von der Gruppe mit Major Depressive Disorder. Entgegen unserer Erwartungen zeigten die Probanden mit Zwangsstörung keine spezielle Vulnerabilität für die Manipulation der kognitiven Selbstaufmerksamkeit. Eine Ursache war hier ggf. die Manipulation der kognitiven Selbstaufmerksamkeit durch die Beobachtung neutraler Gedanken. Entsprechend wurde in der behavioralen Studie 2 die kognitive Selbstaufmerksamkeit zum einen durch die Beobachtung neutraler und zum anderen durch die Beobachtung zwangsrelevanter Gedanken manipuliert. Diese beiden Bedingungen geteilter Aufmerksamkeit wurden mit einer Kontrollbedingung kontrastiert. Probanden mit Zwangsstörung wurden mit gesunden Kontrollprobanden verglichen. In beiden Gruppen führte die Beobachtung neutraler und zwangsrelevanter Gedanken im Vergleich zur Kontrollbedingung zu einem Anstieg der kognitiven bzw. der allgemeinen Selbstaufmerksamkeit. Die Beobachtung zwangsrelevanter Gedanken war hingegen nur in der Gruppe mit Zwangsstörung mit einem Anstieg der Ängstlichkeit assoziiert. Beide Bedingungen erhöhter Selbstaufmerksamkeit führten im Vergleich zur Kontrollbedingung zu einer Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung. Dieser Haupteffekt wurde durch eine Interaktion spezifiziert. Während die gesunden Kontrollprobanden insbesondere durch die Beobachtung neutraler Gedanken beeinträchtigt waren, zeigten die Probanden mit Zwangsstörung den größeren Leistungsabfall bei der Beobachtung zwangsrelevanter Gedanken. So war die Gedächtnisleistung der gesunden Kontrollprobanden auch nur in der Kontrollbedingung und in der Bedingung mit Beobachtung zwangsrelevanter Gedanken der Leistung der Probanden mit Zwangsstörung überlegen. Die Bildgebungsstudie nutzte das Paradigma der behavioralen Studie 1 und beschränkte sich auf die Untersuchung gesunder Kontrollprobanden. Die Ergebnisse der behavioralen Studie 1 konnten repliziert werden, die Kontrollbedingung war sowohl der Lernbedingung mit erhöhter kognitiver Selbstaufmerksamkeit durch die Beobachtung neutraler Gedanken, als auch der Lernbedingung mit externer sekundärer Aufgabe überlegen. Lernen unter erhöhter kognitiver Selbstaufmerksamkeit war mit einer verstärkten Rekrutierung des anterioren medialen präfrontalen Cortex, des anterioren cingulären Cortex und der anterioren Insula verbunden. Diese Areale sind assoziiert mit Selbstreflektion und Kontrollprozessen. Im Gegensatz zur Lernbedingung unter geteilter Aufmerksamkeit durch eine externe sekundäre Aufgabe, zeigte sich keine Veränderung in Arealen unmittelbar assoziiert mit Enkodierungsprozessen (Hippocampus). Zusammengefasst belegen die drei Studien, dass kognitive Selbstaufmerksamkeit die Gedächtnisleistung beeinträchtigt. Gemäß der Bildgebungsstudie interferiert kognitive Selbstaufmerksamkeit dabei weniger mit spezifischen Ressourcen für die Enkodierung als durch die Aktivierung zusätzlicher Prozesse mit übergeordneten Ressourcen (exekutive Funktionen), die dann für eine effektive Enkodierung fehlen. Dabei scheinen auch gesunde Personen für die schädliche Wirkung von kognitiver Selbstaufmerksamkeit anfällig zu sein, während Personen mit Zwangsstörung besonders vulnerabel für kognitive Selbstaufmerksamkeit ausgelöst durch zwangsrelevante Gedanken zu sein scheinen. Insgesamt legen diese Befunde nahe, dass durch die Behandlung metakognitiver Prozesse nicht nur die Psychopathologie sondern auch die kognitive Leistungsfähigkeit von Personen mit Zwangsstörungen günstig beeinflusst werden kann. Somit sollten Therapieverfahren entsprechende Interventionen enthalten.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2012). Experimentelle Manipulation kognitiver Selbstaufmerksamkeit und Auswirkung auf die Lernleistung. 30. Symposium der Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie, Luxemburg
    Weber, F. & Exner, C.
  • (2013). Die metakognitive Therapie nach Wells-theoretischer Hintergrund, Behandlungskomponenten und Evidenz. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 61, 217–230
    Weber, F. & Exner, C.
  • (2013). Grübelst du noch oder lernst du schon? Eine Lern- und Gedächtnisstudie zu kognitiver Selbstaufmerksamkeit und Zwang. 8. Workshopkongress der Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie, Trier
    Weber, F. & Exner, C.
  • (2013). Metacognitive beliefs and rumination: A longitudinal study. Cognitive Therapy and Research, 37, 1257–1261
    Weber, F. & Exner, C.
  • (2013). Positive beliefs about rumination: Causal factor or epiphenomena? 2nd international confrence of metacognitive therapy, Manchester
    Weber, F. & Exner, C.
  • (2014). Does "thinking about thinking" interfere with memory? An experimental memory study in obsessive-compulsive disorder. Journal Anxiety Disorders, 679–686
    Weber, F., Hauke, W., Jahn, I., Stengler, K., Himmerich, H., Zaudig, M. & Exner, C.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.janxdis.2014.07.009)
  • (2014). Role of cognitive self-consciousness in memory: An experimental memory study in OCD. ABCT 48th Annual Convention, Philadelphia
    Weber, F. & Exner, C.
  • (2014). „Denken übers Denken“ beeinträchtigt die Gedächtnisleistung. 32. Symposium der Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie, Braunschweig
    Weber, F. & Exner, C.
  • (2016). “Thinking about Thinking”: Neural mechanisms and effects on memory. NeuroImage, 127, 203–214
    Bonhage, C., Weber, F., Exner, C. & Kanske, P.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.neuroimage.2015.11.067)
 
 

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