Gabe - Beiträge der Theologie zu einem interdisziplinären Forschungsfeld
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel des Netzwerks war es, Leistungsfähigkeit und Grenzen der Kategorie der „Gabe“ an zentralen systematisch-theologischen Problemfeldern und in ökumenischer Perspektive zu erproben und von Seiten der Theologie einen Beitrag zum interdisziplinären Diskurs über die Gabe zu leisten. Zu diesem Zweck bearbeitete das Netzwerk mit Unterstützung durch Experten aus anderen Disziplinen eine Reihe einschlägiger Themenfelder: • Versteht man die Gabe als symbolisches Anerkennungsmedium, bietet sie sich als mögliches Instrumentarium an, um zentrale und z.T. im ökumenischen Kontext strittige Vermittlungsstrukturen zu beschreiben. • In der Rechtfertigungstheologie lassen sich auf diese Weise klassische Alternativstellungen aufbrechen: Wird Rechtfertigung als göttliche Anerkennung des Sünders gedacht, dann lässt sich die Dichotomie von „forensischer“ und „effektiver“ Rechtfertigung umgehen. Ebenso kann diese Anerkennung als eine wechselseitige gedacht werden, ohne dass damit ein die Gnade Gottes verkleinernder „Beitrag“ des Menschen zu seiner Rechtfertigung bezeichnet würde, weil die Kategorie der Gabe nicht-ökonomische Strukturen von Wechselseitigkeit zu denken erlaubt. • Auf einer solchen Grundlage lässt sich das alttestamentliche Opfer als eine „zweite Gabe“ an Gott denken, die auf sein überreiches Geben antwortet und dabei seine heilvolle Gegenwart feiert und darstellt. Die neutestamentliche Opfermetaphorik versteht Jesus Christus als die Vollendung der Gottesgemeinschaft. Entsprechend lässt sich die Eucharistie sowohl unter dem Aspekt eines von Gott initiierten Gabentausches verstehen als auch ihr ökumenisch umstrittener Opfercharakter neu beleuchten. • In der theologischen Ethik bietet sich das Gabedenken sowohl als Analyseinstrument für interpersonale Beziehungen an als auch für die Beschreibung der aus dem göttlichen Geben folgenden moralischen Forderungen mitmenschlichen Verhaltens. In der Eucharistietheologie lassen sich mit der Kategorie der Gabe das liturgische Handeln und seine ethische Dimension miteinander verknüpfen. Zugleich muss jedoch die Gefahr einer Überziehung des Modells in den Bereichen des Rechts und institutioneller Strukturen beachtet werden. Die gabetheoretischen Reflexionen auf die Ambivalenzen der Großzügigkeit sind auch für die Reflexion kirchlich-caritativen Handelns einschlägig. • Gegen ein Defizitdenken in der Erlösungslehre kann gabetheologisch die (trinitarische) göttliche Überfülle als initium und Grundimpuls des Heilsgeschehens angesetzt werden. Der dankbare Empfang diese Überfülle kann von ängstlichem Festhalten befreien. Entsprechende phänomenologische Grunderfahrungen können in besonderer Weise einen gemeinsamen Gesprächsraum für theologisches und nichttheologisches Gabedenken eröffnen. • Die komplexen Verhältnisse von großzügiger Gabe und moralischer Forderung, Anerkennung und Machtambivalenzen lassen sich auch in Fragen bezüglich Verzeihung, Versöhnung und Konfliktlösung wiederfinden. Hier steht die Erforschung möglicher neuer Perspektiven durch das Gabe-Denken noch vergleichsweise am Anfang. Immer bleibt die Offenlegung der theoretischen Grundentscheidungen zentral. Denn es gibt nicht „die“ Gabe unabhängig von historischen und gesellschaftlichen Kontexten und von theoretischen Grundorientierungen, sondern fundamental differierende Zugriffe, die je verschiedene Teilaspekte beleuchten, andere verdecken und so wesentlich an ihrer Fähigkeit zur Erhellung des jeweils vorliegenden Problems zu messen sind.