Project Details
Projekt Print View

Drei Generationen Bildungsaufsteiger. Zum Zusammenhang von Herkunftsmilieu und Gesellschaftssystem im Ost-West-Vergleich

Subject Area Education Systems and Educational Institutions
Term from 2010 to 2016
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 174016157
 
Final Report Year 2015

Final Report Abstract

Die Studie „Bildungsaufsteiger“ eröffnet durch den im Rahmen des DFG-Projektes erarbeiteten Theoriezugang, der auf einer Verbindung des Konzeptes der politischen Gelegenheitsstruktur (Tarrow 1991) mit den Konzepten Bourdieus basiert, eine Perspektive auf Bildungsaufstiege, die explizit den Einfluss gesamtgesellschaftlicher Prozesse auf individuelle Bildungswege erfasst. Methodisch wurde mit dem in dieser Studie entwickelten Ansatz der theorieorientierten Fallrekonstruktion (Miethe) gearbeitet. Insgesamt lagen der Auswertung 85 biografisch-narrative Interviews zugrunde. In der Studie konnte aufgezeigt werden, dass das Konzept der politischen Gelegenheitsstruktur sehr hilfreich dafür sein kann, v.a. verschiedene bildungspolitische Phasen im Hinblick auf die jeweiligen Chancen für Bildungsaufstiege zu identifizieren. Bezogen auf biografische Bildungswege bedarf es jedoch einer weiteren Differenzierung dieses Konzeptes, die in unserer Studie mit der Unterscheidung in gesamtgesellschaftliche, bildungspolitische, institutionelle und/oder fachspezifische Gelegenheitsstrukturen vorgenommen wurde. Bezogen auf die jeweils unterschiedliche Funktion, welche die Gelegenheitsstrukturen einnehmen können, wurden vier verschieden Typen rekonstruiert: Der Typus der „Bildungspolitischen Welle“ konstituiert sich in direktem Zusammenhang mit günstigen bildungspolitischen Gelegenheitsstrukturen. Der Typus der „Pragmatischen Nutzung“ greift auf die in Phasen günstiger bildungspolitischer Gelegenheitsstrukturen i.d.R. neu gegründete Bildungsinstitutionen zwar zurück, stellt aber subjektiv keine Verbindung zwischen diesen und dem eigenen Bildungsweg her. Der Typus „Sozialer Wandel“ rekurriert in erster Linie auf gesamtgesellschaftliche Wandlungsprozesse, wie sie v.a. in Westdeutschland wirkmächtig waren, aber auch auf Milieuauflösungen durch Krieg und Nachkriegszeit. Der Typus der „Institutionellen Prozessierung“ entwickelt sich demgegenüber relativ unabhängig von gesamtgesellschaftlichen und/oder bildungspolitischen Gelegenheitsstrukturen und wird eher durch institutionelle Fördermöglichkeiten (z.B. katholische Kirche, SED) konstituiert. Diese vier Typen sind weder primär an das jeweilige Gesellschaftssystem, noch an die Generation gebunden. Vielmehr lassen sich sowohl in Ost- und Westdeutschland als auch in verschiedenen Generationen ganz ähnliche Muster rekonstruieren. Auf Basis der komparativen Analyse ließen sich zudem typusübergreifende Aspekte herausarbeiten, die – jenseits der Familiensozialisation – strukturell förderliche Faktoren für erfolgreiche weiterführende Bildungswege beschreiben. Dabei handelt es sich um alltagsweltliche Bezüge an den Übergängen im Bildungssystem, um einen positiven öffentlichen Diskurs über Bildungsaufstiege und um eine kollektive Einbindung der individuellen Wege. Außerdem konnte aufgezeigt werden, wie institutionelle Arrangements habituelle Veränderungsprozesse initiieren können. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die jeweiligen Gelegenheitsstrukturen ein relevanter Faktor für den Erfolg weiterführender Bildungswege sind - wenn auch bei einer derartig komplexen Thematik wie der Entstehung von Bildungsungleichheit, die auf einer „komplexen Wechselwirkung verschiedener Einflüsse“ (Becker 2009) basiert, zweifellos nicht der einzige. Sie sind aber zentraler als bisher in der Forschung dargestellt und sollten systematisch als integrale und prozessuale Dimension in jeder Untersuchung über den Zusammenhang von Bildung und sozialer Ungleichheit mit berücksichtigt werden.

Publications

 
 

Additional Information

Textvergrößerung und Kontrastanpassung