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Die Institutionalisierung von Deutungsmacht durch internationale Administrationen in Postkonfliktgesellschaften. Eine Analyse der Transitional Authority im Kosovo und in Kambodscha

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung von 2010 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 174282722
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die wesentlichen Ziele des Vorhabens konnten während der Projektlaufzeit erreicht werden, wenngleich einige der Projektergebnisse erst in den beiden Folgejahren international publiziert werden konnten. Dies lag nicht zuletzt daran, dass die neuartige Verbindung von Deutungsmachttheorie mit empirischer Analyse zu einem wenig erforschten Gegenstand, internationalen Administrationen in Nachkriegsgesellschaften, einige Herausforderungen mit sich brachte. Die Ergebnisse haben deutlich gemacht, dass sich die an nationalen Verfassungsgerichtsbarkeiten entwickelte Theorie der Deutungsmacht in hohem Maße für die Analyse des Aufbaus politischer Autorität in UN verwalteten Gebieten eignet. Insbesondere konnten wir mit ihr zeigen, dass der Aufbau von Autorität verschiedene Akteure insofern aneinander bindet, als Autorität im Kern auf Anerkennung durch andere angewiesen ist. Paradoxerweise stehen die beteiligten Akteure gleichzeitig aber auch in einem Konkurrenzverhältnis, da das Mandat der internationalen Verwaltung eng begrenzt ist und gleichsam vom ersten Tag an, die neuen und alten politischen Akteure miteinander um Deutungsmacht ringen. Im Kosovo konnte die Internationale Administration ihr starkes Mandat nicht ohne weiteres in Deutungsmacht übersetzen. Dies lag zum einen an der Paradoxie, dass das UN-Mandat gleichzeitig eine neutrale und politisch-gestaltende Rolle vorsah, vor allem aber daran, dass die konkurrierenden kosovarischen Akteure politisch eindeutige Deutungspraktiken etablierten, mit Bezug zu in der Bevölkerung be- und anerkannten Symbolisierungen von Einheit und Identität. Die Grenzen der Deutungsmacht kosovarischer Politik lagen besonders in der Heterogenität und Unvereinbarkeit dieser Symbolisierungen, vor dem Hintergrund immer noch unvollständiger internationaler Anerkennung. In Kambodscha wurde ebenfalls deutlich, dass die Internationale Administration nicht erfolgreich mit etablierten kambodschanischen Akteuren um Deutungsmacht konkurrieren konnte. Trotz der vermeintlich enthusiastischen Unterstützung der Bevölkerung für einen entscheidenden Bruch mit der Vergangenheit des Landes waren insbesondere die Akteure erfolgreich, die auf eine Fortsetzung autoritärer Systeme drängten. Bei deren Versuchen, Deutungsmacht zu generieren, wurde die Idee von nationaler Einheit nicht mit Kernprinzipien einer neuen demokratischen Ordnung in Einklang gebracht, sondern diese vielmehr stark abgeschwächt, teils sogar vollständig zurückgewiesen. Die Fallstudie zeigte somit deutlich, warum das Konzept der Deutungsmacht einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann, die Erfolge solcher Missionen und ihren tatsächlichen Einfluss auf die Gestaltung einer neuen legitimen Ordnung besser zu beurteilen. Konzeptionell konnten wir mit unserem pragmatistisch orientierten Ansatz (“interpretative authority”) die Forschung zum internationalen Statebuilding um eine stärker soziologische Konzeption von Autorität – gegenüber einem stärker an Strukturen und formalen Kompetenzen orientierten Governance-Konzept (“performing authority”) ausgerichteten – bereichern, weil erst unsere Konzeption, die dynamische Konstitution der politischen Autorität von Internationalen Administrationen als Kämpfe um Deutungsmacht auf drei analytisch unterscheidbaren Ebenen zu fassen erlaubt. Die Weiterentwicklung unseres theoretischen Rahmens führte uns auf Basis der empirischen Ergebnisse zu einem vierstelligen Autoritätsbegriff, bei dem auf der Ebene der Deutungsmachtpraktiken einerseits zwischen Deutung und Performanz und andererseits zwischen Geltungsansprüchen und Anerkennung unterschieden wird. Dieser Ansatz stieß auch bei international renommierten Kolleginnen und Kollegen auf großes Interesse und führt nicht zuletzt dazu, dass wir damit weitere Fallstudien anregen konnten, die im Rahmen eines Special Section im Journal of Statebuilding and Intervention publiziert wurden. Abschließend sei auch noch einmal darauf hingewiesen, dass wir innerhalb des Forschungsprojekts mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen auch aus den beiden Ländern der Fallstudien zusammengearbeitet haben, die uns unterstützt und von denen wir viel gelernt haben. Hieraus sind Kooperationen in Forschung und Lehre etwa mit Kollegen an der Universität in Pristina und am Kosovar Centre for Security Studies entstanden. Mit der Royal University in Phnom Penh beraten wir zurzeit über ein Erasmus-Plus-Abkommen. Das Projekt hat also auch über die unmittelbaren Forschungsziele hinaus einen nachhaltigen Beitrag zum Auf- und Ausbau internationaler wissenschaftlicher Zusammenarbeit geleistet.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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