Die Michaelskirsche in Germia (Galatien, Türkei). Ein kaiserlicher Wallfahrtsort und sein provinzielles Umfeld
Final Report Abstract
Eine Bauaufnahme der Michaelskirche hat zum einen gezeigt, daß der Ursprungsbau, den ein Aristokrat aus Konstantinopel/Istanbul um die Mitte des 5. Jh. n. Chr. stiftete, hauptstädtische Züge aufwies und in seinem provinziellen anatolischen Umfeld als Fremdkörper aufgefallen sein wird. Das änderte sich grundlegend, als die Kirche im 6. Jh. offenbar in Folge der großen Popularität des Wallfahrtsorts umgebaut, vergrößert und dabei provinziell überprägt wurde. Die gleichen provinziellen Züge fanden sich auch bei einer neu entdeckten Klosterkirche, und das Steinmetzwesen der Gegend erwies sich ganz generell als lokale Angelegenheit. Offenbar verselbständigte sich der Wallfahrtsort nach einem anfänglichen Anstoß aus Konstantinopel im 6. Jh. weitgehend, und die vielen Pilger, die Germia damals aus anderen Reichsteilen besuchten, werden den Ort als ein lokales zentralanatolisches Heiligtum wahrgenommen haben. Die überraschende Entdeckung einer römisch-byzantinischen Nachbarstadt Germias und eines dort angesiedelten paganen Kultes der autochthonen anatolischen Gottheit Men kann außerdem erklären, warum Germia, wo es keinerlei antike Spuren gibt, in der Spätantike offenbar neu gegründet wurde. Anscheinend suchten die Christen Abstand zum heidnischen Men-Kult. So wird auch verständlich, warum Germia auf kultische Infrastruktur und Nekropolen beschränkt blieb und keine städtische Siedlung war, wie das ihr Polis-Status zunächst hatte vermuten lassen. Die zivile Bevölkerung wohnte weiterhin in den vorbestehenden Nachbarstädten. Nicht zuletzt verdeutlicht all dies die enorme Bedeutung des christlichen Heilkults und Pilgerwesens, die allein Germias Status als Polis, autokephales Erzbistum und später sogar Metropolis begründeten. Umgekehrt zeigt Germia in exemplarischer Weise, wie sich der Polis-Begriff byzantinischer Zeit von demjenigen der Antike ebenso wie vom modernen Stadt-Begriff unterscheiden konnte. Ebenfalls überraschend war die Erkenntnis, daß die Michaelskirche in mittelbyzantinischer Zeit noch einmal grundlegend erneuert wurde und daß diese dritte Bauphase ambitionierter und prachtvoller war als ihre frühbyzantinischen Vorgänger. Dies ist insbesondere bemerkenswert, als Germia mangels Befestigungen nicht gegen die arabischen Invasionen der 7. bis 9. Jh. zu verteidigen gewesen sein wird und ein am Ort niedergelegte Münzschatz eine arabische Einnahme zu bestätigen scheint. Daß der ländliche Kultplatz nach und trotz der arabischen Eroberung in mittelbyzantinischer Zeit zu erneuter großer Blüte gelangte, trägt zu einem neuen Verständnis des mittelbyzantinischen Siedlungswesens der Region bei.
Publications
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Die Michaelskirche in Germia (Galatien, Türkei). Ein kaiserlicher Wallfahrtsort und sein provinzielles Umfeld. Mit Beiträgen von Ercan Erkul, Stefan Giese, Walter Prochaska, Ali Vardar, Andreas Victor Walser und Franziska Ziegler, Archäologischer Anzeiger 2010, 137-160
Philipp Niewöhner – Klaus Rheidt
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Bronze Age Hüyüks, Iron Age Hill Top Forts, Roman Poleis, and Byzantine Pilgrimage in Germia and Its Vicinity. ‘Connectivity’ and a Lack of ‘Definite Places’ on the Central Anatolian High Plateau, Anatolian Studies 63, 2013, 97-136
Philipp Niewöhner, Gülseren Dikilitaş, Ercan Erkul, Stefan Giese, Joachim Gorecki, Walter Prochaska, Deniz Sarı, Harald Stümpel, Ali Vardar, Alice Waldner, Andreas Victor Walser, und Heiko Woith
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Kaiserzeitliche und frühbyzantinische Inschriften aus der Region von Germia in Nordwestgalatien, Chiron 43, 2013, 527-619
Andreas Victor Walser
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Byzantine Water Spouts with Zoomorphic Head and Channel, Cahiers Archéologiques 55, 2013-2014, 79-90
Philipp Niewöhner
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Frigya’nın Doğusunda, Antik Germia ve Civarında Yer Alan Tunç ve Demir Çağı Yerleşimlerinden Toplanan Çanak Çömleğin Genel bir Değerlendirmesi, Akademik Sosyal Araştırmalar Dergisi 5/42, 2017, 488-508
Deniz Sarı
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Germia, in: Niewöhner (Hrsg.), The Archaeology of Byzantine Anatolia. From the End of Late Antiquity to the Coming of the Turks (New York 2017) 342-348
Philipp Niewöhner
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The Riddle of the Anatolian Cross Stones. Press Weights for Church or Monastic Estates?, in: Moreau, Dominic; Snively, Carolyn S.; Guiglia Guidobaldi, Alessandra (Hg.) (2020): Archaeology of a world of changes. Late Roman and early Byzantine architecture,
Philipp Niewöhner