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Untersuchungen zur religiösen Symbolik in reichen Gräbern der früheisenzeitlichen Nekropole von Hallstatt, Oberösterreich

Antragstellerin Dr. Bettina Glunz-Hüsken
Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2010 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 175663061
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Erstmals steht die Frage nach dem religiösen Gehalt, deren lange und facettenreiche Forschungshistorie detailliert aufgegriffen wird, in reichen Bestattungen eines Gräberfeldes, nämlich des eponymen von Hallstatt, im Fokus. Das Thema bezieht sich einesteils auf mythisch verankerte Beigaben, denen ein hintergründiger "zeitloser" Bezug von Sachgut zugeschrieben wird, weil sich der Mensch mit diesen seit jeher mit den Göttern und vergöttlichten Ahnen verknüpfte (Wagen, Bronzegeschirr, Waffen, Gold, [Miniatur-]Webstühle, handwerkliches Gerät, Fibeln, die heilige Mäntel repräsentieren oder Ringgehänge etc. kommen daher auch in reichen Gräbern anderer Orte vor), andernteils auf die Kennzeichnung möglicher sakraler Würden- oder Amtsträger. Die Prüfung der betroffenen Grabinventare mittels der Originalquellen stellt dabei für Hallstatt bislang ausstehende Grundlagenforschung dar und führt bei etlichen Gräbern zu Änderungen bzw. Korrekturen (Gräberliste und 10 Tabellen). Einen innovativen Ansatz stellt die Diskussion der möglichen Vergesellschaftung beispielsweise bestimmter Bronzegefäße einzelner Bestattungen unter funktionalem Aspekt und zugleich religiöser Prämisse dar. Auch das Thema "Pferd" und "Wagen" erfährt eine Neubewertung, weil zusätzlich zu den bekannten vier Achsnägeln ein weiterer mutmaßlicher Wagenbestandteil, eine Nabenverkleidung erstmalig klassifiziert wird, die neben wenigen bezeugten Pferdeknochen aus Gräbern (und vermutlich weiteren aus den Neugrabungen) durchaus für die Anwesenheit von Pferd und Wagen im Hochtal spricht. Symbolisch-gedanklich bezeugt dies mindestens bislang eine Naben-Speichenminiatur vermutlich als Anhänger oder Amulett im Grab einer Frau und die beiden vergoldeten Radembleme an einem Dolch. Die anthropomorph geformten Dolchgriffe lassen sich auf zwei Körperhaltungen reduzieren, eine frühe kämpferische und eine jüngere religiöse. Letzterer ist das Bild der südlich beheimateten "Herrin der Tiere" immanent, ihr Bild im Norden daher spätestens seit dem 6. Jh. v. Chr. bekannt. Bestimmte Beigaben gelten als Ausweis unmittelbar kultisch Handelnder, eine Thematik, die sich im wesentlichen bisher auf die mit dem sog. Kalenderberggeschirr und den in Hochdorf Bestatteten bezieht. Für Hallstatt konnte ein mutmaßlicher Opferaspekt in Form einer symbolischen Axt, die in einer Bronzeschale lag und den stark gehörnten Rinderfiguren als symbolische Opfertiere herausgestellt werden, ein für den bereits lange bekannten Fundstoff überraschende und deutliche Thematik. Hinsichtlich der vielschichtigen religiösen und gesellschaftlichen Bedeutung von Textilien in Griechenland nimmt die Betrachtung sämtlicher Gräber, die auf Textilien hinweisen - sei es Stoff führend, sei es reales oder symbolisch miniaturisiertes Gerät zu seiner Herstellung enthaltend - breiten Raum ein. Besondere Interpretation erfahren dabei die Halbmondfibeln meist mit theriomorphen Attributen als Darstellungen am Webstuhl gefertigter (heiliger?) Mäntel, also ggf. Ornats. Wegen der geringen Menge praktisch-handwerklichen Textilgeräts wird die Auslagerung der eigentlichen Stoffherstellung im Flachland erwogen. Keramik imitierende Miniaturgefäße auf Dolchen, Gürteln und Fibeln weisen ihre Träger als Spender eines Mahls/Gelages, und/oder vielleicht als Opfernde aus; unklar bleibt, ob die Miniaturgefäße ehemals Opiate als berauschendes Mittel enthielten. Sonnensymbole in Form von Radmotiven und geräuschversursachende Anhänger diverser Form unterstreichen die religiöse Interpretation derartiger oft singulärer Funde Hallstatts. Auch Kinder wurden vereinzelt entsprechend ausgestattet, der naturwissenschaftliche Nachweis der Vererbung eines sakralen Amtes steht freilich mangels passender Gräber und Knochenmaterials aus. Ebenso ist nach wie vor offen, ob die im Hochtal reich Bestatteten selbst unter Tage das Salz bergmännisch abbauten, weil von ihnen kein Knochenmaterial erhalten ist, und das wenige überlieferte nicht nach individueller, sondern mittels statistischer Gruppenanalyse anthropologisch untersucht wurde. Summa summarum ergeben sich eine ganze Reihe von Indikatoren, die die Umschreibung eines unmittelbar religiösen Aspekts bzw. die Bestimmung der Personen als religiös Befugte im weitesten Sinn erlauben. Gold dient meist zur sozialen Positionierung, Prestige oder Status generierend, eine Vergoldung des Toten als Kennzeichen einer religiösen Vergöttlichung (Apotheose) scheint für Hallstatt nicht gegeben. Die interpretativen Thesen Huths (2003), entwickelt anhand sehr weniger reicher Prunkgräber und zur allgemeinen Lesung eines hierogamischen Moments (gegengeschlechtliche Beigaben und bigeschlechtliche Doppelbestattungen) und zur Übergabe der Macht vom Vater an den Sohn (doppelte Beigaben) vorgeschlagen, können weder im untersuchten Fundstoff noch überregional eindeutig belegt werden. Die "herrschaftlich organisierte sakrale Handlung" nach Steuer (2004) ist trotz aller mutmaßlicher Indizien allein mit archäologischen Mitteln für Hallstatt nicht immer zweifelsfrei belegbar, vor allem, weil entsprechende Beigaben nicht selten in "armen" und "reichen" Gräbern liegen. Dennoch können einige Bestattungen benannt werden, die in mehrerer Hinsicht als "reich" bezeichnet werden müssen und mutmaßlich kultisch konnotierte Beigaben führen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Textilien und Symbole für ihre Herstellung in eisenzeitlichen Gräbern Mitteleuropas. Griechenland – Este – Frög – Sopron. Prähist. Zeitschrift 86, 2011, 254-271
    Bettina Glunz-Hüsken; B. Fath
  • Sparsam in der Grube ! - Reich im Grab? Varianten und Aspekte sekundär verwendeter Beigaben aus dem Gräberfeld von Hallstatt, Oberösterreich. In: R. Karl, J. Leskovar (Hrsg.): Interpretierte Eisenzeiten. Fallstudien, Methoden, Theorie. Tagungsbericht der 5. Linzer Gespräche zur interpretativen Eisenzeitarchäologie. Studien z. Kulturgesch. v. Oberösterreich 37 (Linz 2013) 9-25
    Bettina Glunz-Hüsken
  • Körpersprachliche Signale hallstattzeitlicher, anthropomorph gestalteter Dolchgriffe. Prähist. Zeitschr. 90/1, 2015, 301-317
    Bettina Glunz-Hüsken; A. Schebesch
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1515/pz-2015-0005)
  • Elites in the cemetery of Hallstatt, Upper Austria. In: R. Schumann, S. van der Vaart-Verschoof (Hrsg.), Connecting Elites and Regions. Perspectives on Contacts, Relations and Differentiation during the Early Iron Age Hallstatt C Period in NorthWest and Central Europe. Sidestone Press, Leiden 2017. S: 271-296
    Bettina Glunz-Hüsken
 
 

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