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Robuste räumliche Diskriminierung verhaltensrelevanter Signale durch das mechanosensitive Seitenliniensystem des aquatischen Frosches Xenopus laevis

Fachliche Zuordnung Kognitive, systemische und Verhaltensneurobiologie
Förderung Förderung von 2006 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 17587224
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Wie viele aquatische lebende Wirbeltiere besitzt der räuberisch lebende afrikanische Krallenfrosch ein mechano-sensorisches Seitenliniensystem zur Wahrnehmung hydrodynamischer Reize. Die zentrale Verarbeitung von Wellen auf Wasseroberfläche erlaubt dem Tier eine Klassifikation der Quelle, eine richtungsgenaue Orientierung hin zu deren Ursprung und eine zielgerichtete Annäherung, bspw. an Insekten auf der Wasseroberfläche im Kontext Beutefang. Die zentrale Repräsentation verschiedener Parameter der beim Frosch eingehenden Wellensignale ist Gegenstand des Sachbeihilfeprojekts mit dem Ziel, die Grundlagen wellenbasierter Objektrepräsentationen im ZNS der Tiere besser zu verstehen. Der Einsatz eines berührungsfrei arbeitenden optischen Distanzsensors erlaubte, als zentrale technische Anwendung, aufgezeichnete Bewegungen der Wasseroberfläche unmittelbar zur Kalibrierung der Wellenstimulation im neurophysiologischen Experiment zu nutzen. Die Antworteigenschaften zentraler Neurone der Seitenlinienbahn auf punktförmig erzeugte Oberflächenwellen wurden bezüglich mehrerer Wellenparameter (bspw. Frequenz) durch extrazelluläre Ableitungen systematisch beschrieben. Im Rahmen des Projekts wurde erstmals in Xenopus auf Einzelzellebene eine zentralnervöse Abbildung von Quellendistanzen beschrieben. Angesichts standardisierter Reizamplituden oberhalb der Körpermitte der Versuchstiere erscheint der verbleibende distanzabhängige Parameter „Wellenkrümmung“ für die Generation distanzselektiver neuronaler Antworten ausreichend. Die Krümmung der Wellenfronten erzeugt über die peripheren Rezeptoren des Seitenliniensystems eine spezifische Aktivierungssequenz. Der Einfluß der Aktivierungssequenz auf die Abbildung der Distanz einer Wellenquelle im ZNS wird unterstützt durch die Tatsache, daß unter Einsatz mehrerer Wellenfrequenzen (deren unterschiedliche Ausbreitungsgeschwindigkeit ebenfalls abweichende periphere Aktivierungssequenzen bedingt) signifikante Einflüsse auf distanzselektive zentralnervöse Seitenlinienantworten gezeigt werden konnten. Bisher nicht beschreiben in Xenopus wurde eine Häufung seitenliniengetriebener neuronaler Antworten im, hinsichtlich sensorischer Verarbeitung vorwiegend dem auditorischen System zugeordneten, Nucleus Laminaris des Torus Semicircularis. Im Nucleus Laminaris wurde in letztgenannter Studie die Mehrheit seitenliniengetriebener Ableitungen des Torus erhoben (51,6%). Ebenfalls in Xenopus erstmals beschrieben wurden selektiv auf konstantfrequente, aber nicht auf frequenzmodulierte Wellenreize reagierende Seitenlinienantworten (20,9% von 297 Ableitungen). Umgekehrt zeigten 27 Ableitungen (9.1%) ausschließlich auf frequenzmodulierte Wellen signifikant veränderte Spikeraten. Die Verteilung dieser Stimulus-selektiven Seitenlinienableitungen variierte signifikant zwischen dem Torus Semicircularis und dem Optischen Tektum (P<0.05; Chi2-test; N=60). Selektive Antworten auf frequenzmodulierte und konstantfrequente Oberflächenwellen schienen gleichverteilt im Optischen Tektum, während im Torus Semicircularis selektive Antworten auf frequenzmodulierte Wellenreize nur selten beobachtet wurden. Überraschend gering ausgeprägt schien die systematische Anordnung räumlich selektiver Antworten im Mittelhirn. Über die insgesamt erfaßten quellenortsabhängigen neuronalen Antworten (Reizquellenrichtung: N=74; Reizquellendistanz: N=139) ergaben sich nur schwache Hinweise auf eine kartengleiche neuronale Repräsentation der Wasseroberfläche. Diese Daten bestätigen frühere Befunde aus dem Labor des Antragstellers, divergieren jedoch von Befunden anderer Autoren im Optischen Tektum. Deren Beobachtung von bzgl. der bevorzugten Stimulationsrichtung des Seitenliniensystems systematisch verteilten zentralen neuronalen Antworten konnte nicht reproduziert werden. Zittlau und Kollegen setzten jedoch frequenz- und amplitudenmodulierte Wellenzüge zur Stimulation des Seitenliniensystems aus verschiedenen Richtungen ein (erzeugt durch kurze Luftstöße auf die Wasseroberfläche), während im Rahmen des Projekts monofrequente, über ≤1 s langsam zu einem Plateau ansteigende Wellenstimuli zur Erregung quellenortsabhängiger neuronaler Antworten verwendet wurden. Zukünftige Studien unter Verwendung frequenz- und amplitudenvariabler, möglichst naturnaher Stimuli könnten die Hintergründe der beobachteten Divergenzen auflösen. Der „monofrequente Ansatz“ erlaubte zu untersuchen ob, und ggf. in welcher Weise, der Parameter Wellenfrequenz (dessen Variation sowohl die Antwort einzelner Rezeptoren, als auch die Aktivierungssequenz über die Gesamtheit der peripheren Rezeptoren beeinflußt) individuelle, räumlich selektive neuronale Antworten (d.h. auf unterschiedliche Quellendistanzen und -richtungen) im ZNS beeinflussen. Die während des Projekts erhobenen Daten bestätigten einen signifikanten Einfluß der eingesetzten Stimulusfrequenzen auf das räumliche Tuning der Mehrzahl der getesteten Neurone (68,3%; N=41).

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2006). Neural responses to water surface waves in the midbrain of the aquatic predator Xenopus laevis laevis. European Journal of Neuroscience, 23, 729–744
    Behrend O, Branoner F, Zhivkov Z & Ziehm U
  • (2008). Lateral line units in the amphibian brain could integrate wave curvatures. Journal of Comparative Physiology. A, Sensory, Neural, and Behavioural Physiology, 194, 8, 777–783
    Behrend O, Branoner F & Ziehm U
  • (2011). Zentrale Verarbeitung von Wellenparametern durch das Seitenliniensystem des afrikanischen Krallenfrosches. Dissertation, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät I, Humboldt-Universität zu Berlin
    Branoner F
 
 

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