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Genetische Diversität bei sexueller und parthenogenetischen Bodenarthropoden Oribatida und Collembola): die Bedeutung kryptischer Refugien

Fachliche Zuordnung Evolution, Anthropologie
Förderung Förderung von 2010 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 175974572
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In dem Projekt wurde die genetische Struktur von weit verbreiteten und häufigen Bodentierarten in Europa untersucht, einer Hornmilbenart und vier Collembolenarten. Die genetischen Muster sind deutlich komplexer und die genetischen Linien sind phylogenetisch älter als bei den meisten Organismen, für die bisher phylogeographische Studien gemacht wurden. Daher konnten wir nicht auf traditionelle Marker (nur COI) für Phylogeographie zurückgreifen, sondern mussten geeignete Kombinationen aus Kern- und mitochondriellen Marker etablieren. Die Ergebnisse zeigten, dass Collembolen in großem geographischem Maßstab genetisch stark strukturiert sind, und dass lokal bestimmte Linien vorherrschen. Dichteabhängige Prozesse spielen vermutlich eine große Rolle in der Besiedlungs- und Etablierungsphase von Collembolenpopulationen. Interessanterweise sind die molekularen Altersabschätzungen sehr hoch für alle Arten und Datensätze und zeigen, dass im Bodensystem ausgedehnte Radiationen im Miozän vor 10-16 Millionen Jahren stattfanden. Sehr ähnliche Zusammenhänge zeigten auch die phylogeographischen Analysen der untersuchten Hornmilbenart. Vermutlich reichten puffernde Eigenschaften des Bodens und Kältetoleranz der Organismen aus, um starke klimatische Veränderungen über lange Zeiträume zu überstehen. In Nordeuropa, das von Gletschern bedeckt war, gab es vermutlich keine Collembolen während der letzten Eiszeit, aber in Zentraleuropa gab es mehrere Refugien, in denen lokale Populationen überlebten und von denen die Wiederbesiedlung Europas erfolgte. Damit besetzten diese Linien große Gebiete Europas bevor Linien aus Südeuropa ankamen. Dementsprechend wurden auch nur sehr wenige Individuen mit südeuropäischen Linien in Zentral- und Nordeuropa gefunden. Bodenlebende Arthropoden tragen daher Informationen zu biotischen und abiotischen Veränderungen in ihrem Genom, die historisch und evolutionär viel weiter zurückreichen als bei oberirdischen Arten. Das Kolonisierungs- und Verbreitungspotential von parthenogenetischen Collembolenarten ist größer als das von sexuellen. Im Gegensatz zu sexuellen dominieren in parthenogenetischen Arten wenige genetische Linien über weite geographische Regionen. Die genetischen Strukturen und die geographische Ausbreitung von Linien sexueller Collembolenarten sind vergleichsweise komplexer. Vermutlich sind intragenomische, mitonukleär koevolutive Prozesse und Gen-Umweltinteraktionen an der Ausprägung dieser komplexen genetischen Struktur beteiligt. Zudem scheinen neutrale Substitutionen in sexuellen Arten eine wichtigere Rolle zu spielen als in parthenogenetischen. Stärkere genetische Struktur in sexuellen Arten und Radiationen im Miozän sind vermutlich ein weit verbreitetes Muster bei Collembolen und Hornmilben. Jedoch sind die geographischen Muster in der generalistischen Art Parisotoma notabilis anders als bei den drei anderen untersuchten Collembolenarten. Genetische Linien dieser Art sind jünger und haben eine viel weitere geographische Verbreitung. Vermutlich wurde die Verbreitung dieser Art in Europa in prähistorischer Zeit durch den Menschen stark beeinflusst. Die Verbreitung der Landwirtschaft hat vermutlich die Ausbreitung von Arten begünstigt, die in der Lage sind durch den Menschen geschaffene Offenlandhabitate zu besiedeln. Im weiteren Sinne kann diese Art deshalb als Kulturfolger angesehen werden, der Informationen zur Besiedlung Europas durch den Menschen im Genom trägt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2013) Pre- and post-glacial diversifications shape genetic complexity of soil-living microarthropod species. Pedobiologia 56, 79-87
    Rosenberger M., Maraun M., Scheu S., Schaefer I.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.pedobi.2012.11.003)
  • Founder events and pre-glacial divergences shape the genetic structure of European Collembola species. BMC Evolutionary Biology, 2016, 16:148. 13 S.
    von Saltzwedel, H., Scheu, S., Schaefer, I.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1186/s12862-016-0719-8)
 
 

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