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Die Immanentisierung spiritistischer Wirkungen im 19. Jahrhundert. Transformationen der menschlichen und technischen Medien

Fachliche Zuordnung Theater- und Medienwissenschaften
Förderung Förderung von 2011 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 182352443
 
Die Interpretation spiritistischer Erscheinungen und Materialisationen ohne Rekurs auf ein ‚Jenseits‘ wurde im 19. Jahrhundert eine zentrale Schnittstelle für die Konzeption technischer Medien, künstlerischer Arbeitsweisen, in der Entstehung der wissenschaftlichen Psychologie sowie der modernen Esoterik. Diese Immanentisierung vollzog sich in theoretischen Diskussionen und in Experimentalarrangements, die sowohl transzendente Bezüge als auch immanentisierende Deutungen zuließen. Die daraus entwickelten Verifikationsstrategien und Kontroversen werden in drei Bereichen erforscht:1. Die ‚Empirisierung‘ der spiritistischen Versuchsanordnungen ging vom Spiritismus selbst aus, exemplarisch sichtbar an Albert von Schrenck-Notzing. Insbesondere in der Entstehung einer psychologischen Wissenschaft wurde die Immanentisierung spiritistischer Phänomene ständig diskutiert, bis zu späteren Aufteilungen zwischen Psychoanalyse, Psychiatrie und Parapsychologie. Die im 19. Jahrhundert diskutierten ‚Heilungstheorien‘ wirken bis in die aktuellen Praktiken der Medizin, Psychotherapie und Esoterik fort.2. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das wilde ‚Unterbewusste‘ entscheidend domestiziert, und zwar vor allem durch zwei Entwicklungen, die bis heute in die Kulturwissenschaften und in die Medienwissenschaft fortwirken: Die eng mit dem Spiritismus verbundene Gründergeneration der ‚Psychologen‘ transformierte durch Prozesse einer biographischen Distanzierung strukturelle Merkmale der spiritistischen Praktiken in ‚individualisierte‘ Therapieformen (insbesondere das ‚Unterbewusste‘ in das ‚Unbewusste‘ der Psychoanalyse). Und die Praktiken der Hypnose erzeugten als theoretische Figur die Imaginationen einer ‚kollektiven‘ ‚Massenhypnose‘, die zur Grundlage der ‚Massenpsychologie‘, und damit zur Grundlage früher Medientheorie (durch eine Immanentisierung von Medienwirkungen) wurde.3. Die empirischen ‚Materialisationen‘ des Spiritismus und der Parapsychologie und die theosophischen Erkenntnisprogramme wanderten seit dem späten 19. Jahrhundert in alle ‚künstlerischen Avantgarden‘ ein. Auf diesem Wege sind Praktiken und Kontroversen des spiritistischen Jenseits in eine Vielzahl künstlerischer Praktiken verwandelt worden. Diese drei großen Ansprüche, den Spiritismus zu immanentisieren, haben das kulturelle Feld mitgestaltet, in dem neue Medien gedacht und realisiert wurden.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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