Klinische und experimentelle Untersuchungen zur Morphologie und Dynamik des Nasen-Lumens und deren Einfluss auf Atemströmung und Klimatisierung der Atemluft
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Vorfeld der Arbeiten zu diesem Projekt war bekannt geworden, dass an mehreren wissenschafllichen Zentren interdisziplinäre Untersuchungen begonnen wurden mit dem Ziel, die Strömung der Luft im Nasengang im Detail zu beschreiben und darzustellen. Mit den Ergebnissen dieser Untersuchungen sollten -als Fernziel- Mittel bereitgestellt werden, um dem HNO-Chirurgen eine OP-Strategie für Eingriffe bei Patienten, die über Atembeschwerden in der Nase klagen, zu ermöglichen. Diese numerisch und experimentell durchgeführten Untersuchungen richten sich auf das reine (einphasige) Strömungsfeld in Nasengängen unterschiedlicher Konfiguration. Die für die Berechnung oder die Erstellung eines Modells des Nasengangs notwendige Geometrie wird aus computertomographisch erzeugten Bilddaten gewonnen. In dem interdisziplinären Projekt, über das hier abschließend berichtet wird, wurde versucht, Fragestellungen nachzugehen, die über die reine aerodynamische Beschreibung hinausgehen. Zugleich wurden auch Untersuchungen grundlegender Phänomene durchgeführt, deren Ergebnisse Voraussetzungen für die oben erwähnten aerodynamischen Studien und angestrebten OP-Strategien schaffen. Im Verlauf der Projektarbeiten war immer deutlicher geworden, dass es erhebliche Kenntnislücken über die Nasenfunktion gibt, worauf auch in der Begutachtung des Projektantrags hingewiesen worden war. Die folgenden Projektteile wurden bearbeitet: - „Nasenbibliothek": In den erwähnten aerodynamischen Studien wird z.T. die Strömung in einer sog. Standardgeometrie des Nasengangs untersucht. Wir haben anhand von 949 Computer-Tomographie-Bildern des Gesichtsschädels verschiedene Messgrößen der Nasenlumina bestimmt und nach statistischen Gesichtspunkten geordnet. Als Ergebnis folgt, dass Untersuchungen an einer statistisch ermittelten „Standard-Nase" nicht auf die Mehrheit der zu behandelnden Patienten übertragen werden können. - Dynamik der Nase: Die für aerodynamische Untersuchungen relevante Geometrie des Nasengangs wird durch die äußere Oberfläche der Schleimhaut-Schicht bestimmt. Der offene Querschnitt des Nasengangs unterliegt einer dauernden Veränderung, die auch durch äußere Einflüsse bedingt sein kann. Ein Satz von CT- oder MRT-Daten gibt die Geometrie nur für einen ausgewählten Zeitpunkt wieder. Wir haben an 20 Probanden endoskopisch und kernspintomographisch die Auswirkungen der Atemluft-Temperatur und der Gabe des Medikaments Xylometazolin aufdie Weite und Form der Nasenlumina untersucht. - Integrale Messung von Strömungsparametern: Es wurde eine Versuchseinrichtung entwickelt, mit der der zeitliche Verlauf des Volumenstroms im Nasengang (Ein- und Ausatmen) sowohl bei Versuchspersonen als auch in Nasenmodellen mit hoher Genauigkeit gemessen werden kann. Der aus diesen Messungen folgende Strömungswiderstand des Nasengangs kann, entsprechend dem Verlauf des offenen Querschnitts in der Nase (Nasenlumina), in einzelne Beiträge aufgeteilt und formelmäßig dargestellt werden; er ist in guter Näherung vergleichbar mit dem Widerstand der Strömung in einem engen Kanal. Messungen mit zwei Testpersonen, deren innere Geometrie der Nasengänge extrem unterschiedlich ist, zeigen u.a. die Auswirkung eines Nasensprays (Xylometazolin) und eines „Nasenpflasters" auf den Strömungswiderstand. - Temperaturfeld: Zum besseren Verständnis der Erwärmung der Atemluft im Nasengang wurde in der alternierenden Luftströmung (Ein- und Ausatmen) durch einen engen Kanal, dessen Strömungswiderstand dem eines Nasengangs entspricht (s.o.), der zeitliche Verlauf der Temperatur gemessen. Die Temperatur am Kanaleingang hat den Wert einer realen Situation (Außenluft), die Temperatur der Kanalwand wird auf dem Wert der Körpertemperatur gehalten. Der im Kanal gemessene dynamische Temperaturverlauf zeigt Werte, die den einzigen uns bekannten, an Versuchspersonen gemessenen Werten (Keck et al.) entsprechen. - Geometriedaten: Die für die experimentellen und numerischen Strömungsuntersuchungen benötigten Daten der Nasenlumina müssen aus CT oder MRT-Bilddaten von Patienten oder Versuchspersonen gewonnen werden. Für die vollständige 3D-Rekonstruktion der Nasenlumina ist ein Prozess zur Umsetzung von Bilddaten in hochgenaue dreidimensionale Funktionsmodelle entwickelt worden. Dabei wurde festgestellt, dass übliche CT-Scan para meter häufig zu keiner hinreichenden Genauigkeit für vollständige 3D-Volumenmodelle führen. Deshalb sind anhand von systematischen Genauigkeitsuntersuchungen Voraussetzungen geschaffen worden, um bei der Aufbereitung medizinischer Bilddaten die für die Herstellung anatomischer Modelle notwendige Genauigkeit zu erzielen. Modellbau: Aus dem optisch transparenten Werkstoff PMMA wurde unter Verwendung der aufbereiteten CT-Scan param eter ein 3D-Volumenmodell eines Nasengangs im Maßstab 3:1 für Strömungsmessungen hergestellt. Dieses Modell ist schichtweise aus in axialer Richtung aneinandergefügten Modulen aufgebaut. Dieses modulare Konzept erlaubt eine Veränderung des nachgebildeten Nasenlumens durch den Austausch einzelner Module. Die inneren Oberflächen des Strömungskanals sind durch die Wahl entsprechender Fräsparameter unmittelbar optisch transparent, so dass für die Versuche bildgebende Untersuchungsmethoden eingesetzt werden können. Das erstellte Modell eines Nasengangs bietet ideale Voraussetzungen für die Durchführung optischer Strömungsexperimente (z.B. PIV), sowohl mit Luft, als auch mit einer brechungsindex-angepassten Flüssigkeit. Wir betrachten die modulare Bauweise wie auch die hier erfolgte Entwicklung eines dreidimensionalen Funktionsmodells aus den aufbereiteten medizinischen Bilddaten und die damit verbundene Genauigkeitsanalyse als wegweisend für die Herstellung anatomischer Modelle und Implantate. Das hier entwickelte Verfahren soll auch auf andere Probleme des Modellbaus übertragen werden. Die in den Experimenten gewonnenen Daten zum (alternierenden) Volumenstrom und Druckverlauf im Nasengang können mit numerisch gewonnenen Werten verglichen werden, wenn solche Ergebnisse der Berechnungen bei alternierender Strömung vorliegen. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass es bezüglich der Grundlagenkenntnisse über alternierende Strömungen (d.h. Strömungen mit periodisch wechselnder Strömungsrichtung) noch erheblichen Forschungsbedarf gibt. Es ist geplant, an Nasenmodellen Messungen über den Transport und die Deposition von Aerosolen in der Atemluft auszuführen. Mit der hier entwickelten Einrichtung zur Messung rasch veränderlicher Werte der Atemluft-Temperatur sollen auch diese Experimente fortgeführt werden mit dem Ziel, die Phänomene des Wärmeübergangs im Nasengang (Erwärmung der Atemluft) zu quantifizieren. Die im Rahmen dieses Projekts entwickelte Versuchseinrichtung zur Messung der zeitlichen Verläufe von Volumenstrom und Druck im Nasengang (Modelle und Testpersonen) ist geeignet, als eine Referenz für klinische Messungen mit Hilfe der Rhinomanometrie zu dienen. Unsere Daten der „Nasenbibliothek" können zeigen, inwieweit knochenbedingte Obstruktionen des Nasengangs eine Indikation zur OP zulassen. Aus den Studien zur Dynamik der Nase folgt, dass aus einer einzigen Momentaufnahme mittels CT oder MRT eine solche Indikation nicht abgeleitet werden kann. Eine Korrelation der medizinischen Bilddaten mit den oben erwähnten Ergebnissen zu Volumenstrom und Strömungswiderstand des Nasengangs wird ein besseres Verständnis über das anzustrebende chirurgische Vorgehen ermöglichen. Es ist geplant, umfangreichere Daten über den Zusammenhang zwischen subjektivem Empfinden des Patienten und dem objektiven Befund einer medizinischen und/oder strömungstechnischen Analyse zu gewinnen. Hierzu gehört auch das Erheben und der Abgleich entsprechender Patientendaten vor und nach einer OP. Schließlich erscheint es uns unerlässlich, die Auswirkung eines chirurgischen Eingriffs auf die Erwärmung der Atemluft im Nasengang (Wärmeübergang) näher zu untersuchen und die Abhängigkeit des geäußerten Patienten-Empfindens von diesem Phänomen zu klären.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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2005) Die kalorische Prüfung der Nasendynamik - MRT Untersuchungen zur Änderung des Nasenlumens in Abhängigkeit von Temperatur und anderen Parametern. 76. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren- Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, Erfurt 2005
Lamprecht, J., Montag, M., Stolz, B., Schatton, R.
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(2006) Untersuchung der Einflussparameter bei der Herstellung optisch transparenter Modelle mittels Fräsen als quasi-generativem Rapid Prototyping-Verfahren; Dissertationsschrift Universität Duisburg-Essen
Hastrich, M.
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(2007) Simulation of nasal flow by lattice Boltzmann methods. Computers in Biology and Medicine 37(6) 739-749
Finck, M., Hänel, D., Wlokas, I.
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(2008) Complex Anatomies in Medical Rapid Prototyping. The 13th International Conference on Biomedical Engineering (ICBME), Singapore. Poster and conference abstract
Mallepree, T, Bergers, D.
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(2008) The process accuracy of reconstructed biomodels produced with the quasi-generative Rapid Prototyping technology. 5 International Conference of Computer-Aided Surgery around the Head, Leipzig 2008. Presentation and conference proceedings
Mallepree, T., Bergers, D.