Der Einfluss von kognitiven Inhibitionsmechanismen auf die Rückfallwahrscheinlichkeit alkoholabhängiger Patienten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Es ist nach wie vor eine sowohl höchst relevante als auch ungeklärte Frage, warum eine große Anzahl alkoholabhängiger Patienten nach Entzug oder nach einer Entwöhnung wieder rückfällig werden, obwohl sie einen klaren Abstinenzwunsch berichten. Ein möglicher Faktor stellt dafür die Fähigkeit dar, Trinkimpulse und damit einhergehende kognitive Prozesse zu inhibieren. Das Hauptziel des nun abgeschlossenen Forschungsprojekts bestand in der Untersuchung der Inhibition aufmerksamkeitsrelevanter und gedächtnisrelevanter Prozesse bei alkoholabhängigen Patienten nach einer Entzugsbehandlung sowie der Untersuchung ihrer Bedeutung für Rückfälle. Zunächst fanden wir entgegen unserer Annahme keinen Hinweis für alkoholspezifische Inhibitionsdefizite alkoholabhängiger Patienten. Interessanterweise profitierten sowohl gesunde Kontrollprobanden als auch alkoholabhängige Patienten von der mehrfachen Präsentation des Stimulusmaterials, was darauf hinweist, dass die Konfrontation der Patienten mit persönlich relevanten, suchtbezogenen Stichwörtern nicht zur einer Sensitivierung gegenüber diesen Stimuli führt, sondern eher zur Habituation. Bei der Analyse einer Subgruppe alkoholabhängiger Patienten mit komorbider Depression, fanden wir, dass diese Patienten suchtbezogene Stimuli schlechter als depressionsbezogene Stimuli inhibieren. Schließlich konsumierten alkoholabhängige Patienten mit einer relativ schlechten Leistung bei der Inhibition der Verarbeitung und Speicherung alkoholspezifischer Informationen sechs Wochen später mehr Alkohol als Patienten mit vergleichsweise besseren Inhibitionsleistungen. Aus den Ergebnissen unserer Studie kann gefolgert werden, dass, erstens, Inhibitionsleistungen als zusätzlicher Prädiktor verwendet werden können, um das Rückfallrisiko alkoholabhängiger Patienten nach einer Entzugsbehandlung einzuschätzen, obwohl sich kein allgemeines Inhibitionsdefizit der Patienten finden lässt. Möglicherweise könnte sogar die Verbesserung der Inhibitionsfähigkeit ein lohnendes Ziel einer Therapie zur Rückfallprophylaxe darstellen. Zweitens weisen unsere Ergebnisse darauf hin, dass es bei alkoholabhängigen Patienten genauso wie bei gesunden Probanden zu Habituationsprozessen kommt, wenn sie sich mit trinkbezogenen Stimuli beschäftigen. Die Auseinandersetzung mit trinkbezogenen Situationen sollte nach diesen Ergebnissen die Habituation also fördern und somit dem Therapieprozess dienlich sein. Drittens finden wir Hinweise dafür, dass bei alkoholabhängigen Patienten mit komorbider Depression die gedächtnisverzerrenden Auswirkungen der Alkoholsucht die Verzerrungen, die aufgrund der depressiven Erkrankung zu erwarten wären, übertreffen. Ob dies als Hinweis dafür gewertet werden kann, dass die Alkoholsucht im primären Fokus der Behandlung stehen sollte, müssen weitere Studien klären.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2013). The Individualized Alcohol Stroop Task: No Attentional Bias toward Personalized Stimuli in Alcohol-Dependents. Psychology of Addictive Behaviors. 27(1):62-70
. Fridrici, C., Leichsenring-Driessen, C., Driessen, M., Wingenfeld, K., Kremer, G. & Beblo, T.