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Der Geist der Zeiten in den reformatorischen Jubelfeiern. Gegenwartsdeutung in ausgewählten Universitätsreden aus Anlass der Feier von Reformationsjubiläen

Fachliche Zuordnung Evangelische Theologie
Förderung Förderung von 2006 bis 2009
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 18509189
 
Erstellungsjahr 2009

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Forschungsgegenstand des Projekts waren die Universitätsreden, die von 1617 bis 1917 aus Anlass von Reformationsjubiläen unterschiedlicher Provenienz gehalten wurden. Die Ziele bestanden darin, den in den Reden zu findenden Zeitgeist aufzuspüren und zu analysieren und damit zugleich einen Beitrag zur Aufhellung der Erinnerungskultur zu leisten. Für die Erhebung und Analyse der Quellen wurde forschungsleitend von der These ausgegangen, dass im historischen Jubiläum die Interpretation des Historischen immer verknüpft ist mit gegenwartsbezogenen Applikationen. Mit dem Projekt sollte insofern auch ein Beitrag zur Analyse der immer vorhandenen, aber kaum explizit reflektierten zeitdiagnostischen und kulturhermeneutischen Funktion von Theologie geleistet werden. Die im Projekt gesammelten und in einer Datenbank erfassten ca. 300 Reden, die anlässlich verschiedener Reformationsjubiläen im universitären Kontext gehalten wurden, bieten den Grundstock für Einzelstudien, für synchrone Analysen zu einzelnen Jubiläen sowie für diachron ausgerichtete Forschungen über einen Zeitraum von 400 Jahren. Ein solcher Bestand ist sonst bisher noch nirgends zusammengetragen und systematisch geordnet worden. Die geleisteten historischen wie systematisch-theologischen Analysen überspannen den Zeitraum vom ersten Reformationsjubiläum 1617 bis in die jüngste Geschichte. Eine grundlegende Erkenntnis besteht darin, dass bestimmte Semantiken und Deutungen der Reformation sich anlässlich von Jubiläen am intellektuellen Knotenpunkt Universität zu relativ stabilen Deutungsmustern verfestigt und so zur Herausbildung einer konfessionellen Identität beigetragen haben, die noch heute spürbar ist, etwa wenn Protestantismus weithin mit Bildung oder Freiheit assoziiert wird. Im Blick auf Selbstbeschreibungen wie „sächsisches Zion“ oder „preußisches Jerusalem“ sowie auf prinzipielle frühe Abgrenzungen zum römischen Papsttum als politischer Macht oder Distanzierungen gegenüber Frankreich unter dem Eindruck der Hugenottenverfolgung ab 1717 hat sich gezeigt, dass eine starke Zäsur zwischen Protonationalismen vor und modernem Nationalismus nach der Sattelzeit hinsichtlich religiös-politischer Semantiken in der Reformationserinnerung nicht zu erkennen ist. Durchweg bestätigt hat sich die Grundannahme, dass die Reden sowohl beharrend-selbstvergewissernde als auch neue Entwicklungen antizipierende Elemente in der Reformationsdeutung besonders gut erkennen lassen. Das Projekt hat seine Forschungsergebnisse in einer ganzen Reihe von wissenschaftlichen Beiträgen vorgelegt, für deren populärwissenschaftliche Verbreitung gesorgt und seine Erkenntnisse durch Vernetzungen und Kooperationen in vielfältiger Weise in den Vorbereitungsprozess hin auf das Reformationsjubiläum 2017 eingebracht. Für besonderes Aufsehen sorgten die Forschungen zu den Reformationsfeiern und Reden an der Universität Halle-Wittenberg 1927-1941, in denen nachgewiesen werden konnte, dass die Namensgebung „Martin-Luther-Universität“ im Jahr 1933 keineswegs nur den Entwicklungen nach der nationalsozialistischen Machtergreifung geschuldet war, sondern in einem größeren Zusammenhang des Kampfes um den Bestand der Universität und des Ringens um deren nationale und internationale Reputation als „protestantische“ Universität seit Mitte der 1920er Jahre gesehen werden muss. Anlässlich des Gedenkens an das 75. Jubiläum der Namensgebung am 10.11.2008 erhielt dieses Forschungsresultat tagesaktuelle Bedeutung.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Rezension zu: Harm Cordes: Hilaria evangelica academica. Das Reformationsjubiläum von 1717 an den deutschen lutherischen Universitäten. Göttingen 2006, in: PuN 33 (2007), 263-266.
    Kranich, Sebastian
  • Rezension zu: Wolfgang Flügel: Konfession und Jubiläum. Zur Institutionalisierung der lutherischen Gedenkkultur in Sachsen 1617-1830. Leipzig 2005, in: PuN 33 (2007), 266-269.
    Kranich, Sebastian
  • Christentumsgeschichte contra Theologische Kirchengeschichte. Beobachtungen zu einem Streit, in: K. Tanner (Hg.): Christentumstheorie. Geschichtsschreibung und Kulturdeutung. Leipzig 2008 (Theologie - Kultur - Hermeneutik 9), 55-81.
    Kranich, Sebastian
  • Pfeilschmidt, Ernst Heinrich, in: BBKL, Bd. XXIX (2008), 1075-1082.
    Kranich, Sebastian
 
 

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