Beschäftigungsverhältnisse als sozialer Tausch (BEATA). Wechselwirkungen zwischen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage
Zusammenfassung der Projektergebnisse
BEATA ging von der Annahme aus, dass neuartige Personalpolitiken von Organisationen seit längerem zu einer Erosion fordistischer Beschäftigungsmuster und zu einer Differenzierung und Dynamisierung der Nachfrage nach Arbeitskraft führen. Auch das Arbeitsangebot von Personen und ihre Erwartungen an Beschäftigungsverhältnisse haben sich mit dem Wandel von Lebensläufen, privaten Lebensformen und damit verbundenen Mustern familiärer Arbeitsteilung diversifiziert. Zusammengenommen ergeben sich aus diesen Entwicklungen strukturelle Veränderungen von Beschäftigungsverhältnissen und gestiegene Kontingenzen der Abstimmung und des Austauschs von Arbeitsnachfrage und -angebot. Das Projekt BEATA zielte vor diesem Hintergrund a.) auf die exemplarische Beschreibung unterschiedlicher Formen von Beschäftigungsverhältnissen und der mit ihnen einhergehenden Bindungserwartungen und sozialen Beziehungen sowie b.) auf die Erarbeitung eines tauschtheoretischen Analyserahmens, mit dem die betrieblichen und privaten (familialen/ partnerschaftlichen) Bedingungen identifiziert werden können, die bestimmte Beschäftigungsverhältnisse ermöglichen und verstetigen. Dieses Geben und Nehmen, also der Austausch in Beschäftigungsverhältnissen wurde in BEATA als Resultante sozialen Tauschs in Arbeitsorganisationen einerseits und in Partnerschaften/Familien andererseits verstanden und empirisch wie theoretisch untersucht. Im Fokus der Betrachtung standen daher Personalpolitiken von und Beschäftigungsbeziehungen in Unternehmen, Formen der privaten Lebensführung und innerfamiliäre Beziehungen sowie die Interdependenzen der Tauscharenen Partnerschaft/Familie und Arbeitsorganisation. Methodisch wurde das Forschungsvorhaben über eine innovative Form eines Employer-Employee-Designs umgesetzt, das man als "Employee-within-Organizations-and-Partnerships" bezeichnen könnte: Qualitative Organisationsfallstudien wurden mit quantitativen Befragungen von Beschäftigten sowie ihren Lebenspartner/innen kombiniert. Im Rahmen von BEATA konnten die in Beschäftigungsverhältnissen prozessierten, komplexen Abstimmungsmechanismen (der Austausch) zwischen Arbeit und Leben in ihren Wirkungen empirisch differenziert erfasst werden. Neben zeitbezogenen- wurden auch belastungsbezogene Konflikte und positive Wechselwirkungen untersucht. Hierbei zeigte sich, dass diese Belastungsformen nur in mittlerem Ausmaß miteinander korrelieren und darüber hinaus charakteristische Zusammenhänge mit der beruflichen Stellung aufweisen, sich aber nicht alle in bestimmten beruflichen Positionen ballen. Durch den Rekurs auf das "job resources and demands"-Modell und seine Erweiterung um Beziehungsmerkmale erfolgte eine bessere Anbindung der deutschen Forschung zum work-life interface an die internationale Forschung in diesem Themenfeld. Unter anderem konnte belegt werden, dass sich die Bedingungen für Konflikte zwischen Beruf und Privatleben teils deutlich von denjenigen für Partnerschaftskonflikte allgemein sowie Trennungen unterscheiden. Berufliche Belastungen erhöhen demnach Konflikte und beeinträchtigen die Qualität des Familienlebens, aber sie erhöhen nicht das Trennungsrisiko. Wir gehen aufgrund der empirischen Befunde davon aus, dass Beschäftigungsverhältnisse tatsächlich als Resultante des jeweiligen sozialen Tauschs in Betrieben und Partnerschaften begriffen werden können. Der soziale Tausch bezieht sich jedoch nicht auf einzelne separierbare Tauschgüter, sondern auf 'Tauschbündel' und diese 'Bündelung' wird wesentlich von den sozialen Beziehungen beeinflusst, die den betrieblichen und partnerschaftlichen Tausch jeweils sinnhaft strukturieren. In Anlehnung an die Unterscheidung von transaktionalen und relationalen psychologischen Verträgen schlagen wir vor, von relationalem sozialem Tausch zu sprechen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
2007. Ungleiche Partner – gleicher Tausch? Zum Design einer Mehrebenenanalyse von sozialem Tausch in Beschäftigungsverhältnissen. In: Hans Hummell (Hg.): Die Analyse von Gesellschaften Organisationen und Individuen in ihrem Zusammenhang. Gesis Tagungsberichte, Band 13. 2007, S. 77-104.
Goedicke, Anne; Martin Diewald; Hanns-Georg Brose
-
2010. Instabile Partnerschaften durch neue Beschäftigungsformen? Risiken von Männern und Frauen. In: Peter A. Berger; Ronald Hitzler (Hg.): Individualisierungen. Ein Vierteljahrhundert „jenseits von Stand und Klasse“? Wiesbaden: VS Verlag, 2010, pp. 211-224.
Böhm, Sebastian; Martin Diewald; Juliana Körnert
-
2011. Die Identität der Organisation und die Organisation der Identität. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, zugl.: Duisburg-Essen, Univ., Dissertation., 2010, 184 S
Herkle, Holger
-
2012. Auswirkungen belastender Arbeitsbedingungen auf die Qualität privater Lebensverhältnisse. WSI-Mitteilungen, 2/2012, S. 103–112.
Böhm, Sebastian; Martin Diewald
-
2012. Wer akzeptiert kurzfristige Organisationsbindungen? Offene Beschäftigungssysteme aus tauschtheoretischer Sicht. In: Christoph Köhler; Alexandra Krause (Hg.): Arbeit als Ware. Zur Theorie flexibler Arbeitsmärkte. Bielefeld: transcript, 2012, pp. 185-205.
Goedicke, Anne
-
2013. Berufliche Anforderungen und ihre Auswirkungen auf das Privatleben von doppelerwerbstätigen Paaren. Gender. Zeitschrift für Geschlecht, Kultur und Gesellschaft, 2013, Sonderheft 2 "Paare und soziale Ungleichheit", S. 99-119.
Diewald, Martin; Sebastian Böhm; Tobias Graf; Stefanie Hoherz
-
2015. Beruf und Privatleben – Ein Vereinbarkeitsproblem? Entstehungsfaktoren von erwerbsarbeitsbedingten Abstimmungsproblemen und Konflikten im Privatleben von Beschäftigten in Deutschland. Wiesbaden: Springer, 2015, 332 S.
Böhm, Sebastian
-
2015. Die betriebliche Governance von Vereinbarkeit und Verfügbarkeit. In: Irene Dingeldey; André Holtrup; Günther Warsewa (Hg.): Wandel der Governance der Erwerbsarbeit. 2015, pp 245-269.
Goedicke, Anne; Tobias Ellenberger