Parlamentarische Kontrolle militärischer Sicherheitspolitik in den EU-25-Staaten und der Irak-Krieg 2003
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Warum hat sich eine Reihe von europäischen Staaten am Irak-Krieg 2003 beteiligt, obwohl ihre Bevölkerungen, wie wir aus Umfragen wissen, mehrheitlich gegen eine Beteiligung am Krieg waren? Diese Beobachtung nahm das Projekt "Parlamentarische Kontrolle militärischer Sicherheitspolitik in den EU-Staaten und der Irak-Krieg 2003" (kurz: paks) zum Anlass danach zu fragen, ob die Stärke von Parlamenten bei solchen Entscheidungen einen Unterschied macht. Der Theorie vom "demokratischen Frieden", die sich unter anderem auf den Philosophen Immanuel Kant bezieht, legt nahe, dass starke Parlamente ihre Regierungen eigentlich von der Beteiligung am Krieg hätten abhalten müssen. Denn von Parlamenten wird erwartet, dass sie den Mehrheitswillen der Bürgerschaft in politische Entscheidungen einfließen lassen. Um herauszufinden, ob es einen Zusammenhang zwischen parlamentarischer Stärke in der militärischen Sicherheitspolitik und der Beteiligung an Kriegen gibt, wurde zunächst die Macht von 25 europäischen Parlamenten mit einer eigens entwickelten Typologie gemessen. Das Ergebnis war eine beachtliche Bandbreite parlamentarischer Macht, die von der Möglichkeit der Mitentscheidung über alle Formen der Beteiligung an Kriegen bis hin zur völligen Nichteinbindung von Parlamenten reichte. Die meisten der untersuchten Parlamente konnten jedoch als sicherheitspolitisch machtvoll eingestuft werden. Für den Grad der Kriegsbeteiligung wurde gleichfalls eine neue Typologie entwickelt, die verschiedene Stufen des Engagements in militärischen Auseinandersetzungen unterscheidet. Die Analyse der konkreten Kriegsbeteiligung im Irak-Krieg 2003 ergab zum einen, dass sich nur wenige Staaten mit eigenen Truppen beteiligt hatten. Zum anderen leisteten viele Regierungen logistische Unterstützung (z.B. Überflugsrechte) - überraschenderweise auch einige, die sich in der Öffentlichkeit sehr vehement gegen den Krieg ausgesprochen hatten. Setzt man nun die beiden Befunde zusammen, die Stärke der parlamentarischen Macht in Fragen militärischer Gewaltanwendung und den Grad der Beteiligung an der Irak- Intervention 2003, zeigt sich bei den 25 europäischen Demokratien ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Stärke von Parlamenten und der Art der Kriegsbeteiligung. Staaten mit machtvollen Parlamenten haben sich bei der Irak-Intervention zurückgehalten. Bei den Ländern wiederum, die sich stark im Irak-Krieg engagierten, sind die Parlamente in der Tat sicherheitspolitisch schwach. Das legt die Vermutung nahe, dass die These vom "parlamentarischen Frieden" stichhaltig ist, dass also Parlamente zur Friedfertigkeit von Staaten beitragen können. Jedoch bedarf es hier noch weiterer Forschung, denn einige Forschungsbefunde waren überraschend und rufen nach intensiven Fallanalysen. Die Ergebnisse des Projekts zeigen "best practice"- und "worst practice"-Fälle auf. Sie können Leitbilder bei der Ausgestaltung von Entscheidungsprozessen im Bereich der militärischen Sicherheitspolitik bieten - in den Nationalstaaten ebenso wie auf der Ebene der Europäischen Union, die auch im Bereich der militärischen Sicherheitspolitik immer weiter zusammenwächst.