Experimentelle und numerische Untersuchung des Schädigungsverhaltens von Einzelfaserverbunden
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im vorliegenden Projekt wurde die Frage untersucht, ob bei entfestigendem Materialverhalten effektive Eigenschaften von mikroskopisch heterogen aufgebauten Werkstoffen durch numerische Homogenisierung des Gesamtverbundes mittels eines repräsentativen Volumenelementes berechenbar sind. Als effektive Materialeigenschaften werden dabei solche Materialmodelle und -parameter bezeichnet, die eine Berechnung von Bauteilen des betreffenden Werkstoffes zulassen, ohne seinen mikroheterogenen Aufbau zu betrachten. In der Literatur wurden mittlerweile verschiedene Erweiterungen des ungewichteten Volumenmittels zum Skalenübergang bei Dehnungslokalisierung durch Entfestigung vorgeschlagen, sodass seitens des Mittelungsoperators die Bestimmung effektiver Eigenschaften prinzipiell möglich ist. Weitere Voraussetzungen zur Ableitung dieser Eigenschaften sind die mikromechanische Charakterisierung der beteiligten Werkstoffe und geeignete Randbedingungen am Volumenelement. Entsprechende Ergebnisse werden im Folgenden diskutiert. Am Beispiel von Glasfaser und Epoxidharz wurde zunächst eine experimentell basierte Charakterisierung der einzelnen Verbundkonstituenten vorgenommen. Das nichtlinear viskoelastische Verhalten des Epoxidharzes konnte quantitativ und qualitativ sehr gut wiedergegeben werden, ebenso das elastische Verhalten des Glasfasermaterials. Besonderes Augenmerk lag auf der Charakterisierung der Grenzschicht zwischen Faser und Matrix. Zur Bestimmung der Interfaceeigenschaften kamen die für das Projektthema namesgebenden Einzelfaserverbunde zum Einsatz, konkret der Pulloutversuch und der Einzelfaserfragmentierungstest (SFFT). In beiden trat keine signifikante Plastizität der Matrix auf. Dass sich die Charakterisierung des komplexen mehraxialen plastischen Verhaltens des Epoxidharzes im Rahmen des Projektes als deutlich zu aufwändig erwies, stellte demnach keine Einschränkung dar. Im Falle des Pullout war die Simulation der Feuchtediffusion im konditionierten Epoxidharz der Schlüssel zur Erklärung der Messwerte. Gängige (semi-)analytische Modelle zur Auswertung des Pullout können das gemessene Verhalten nicht abbilden. Die signifikaten Mode II-dominierten Parameter des eigens entwickelten Kohäsivzonenmodelles konnten demgegenüber in FE-Simulationen von Pullout und Einzelfaserfragmentierungstest unabhängig voneinander und mit sehr guter Übereinstimmung identifiziert werden. Außerdem wurde aus einer Parameteroptimierung der SFFT-Simulation die Festigkeitsverteilung der Faser abgeleitet. Anhand der vorliegenden Einzelfaserfestigkeitsmessungen konnte keine Faserfestigkeitsverteilung abgeleitet werden, da die experimentellen Festigkeitswerte bei verschiedenen Messlängen die Anforderungen für die Existenz einer zugrundeliegenden Gesamtfestigkeitsverteilung nicht erfüllen. Die Ursache dafür wird in der Probennahme der Filamentabschnitte aus den Rovings gesehen. Eine Validierung der im SFFT identifizierten Parameter war daher nicht möglich. Ebenso war eine abschließende Validierung von Homogenisierungsergebnissen anhand des gemessenen Verbundverhaltens nicht möglich, da die Bestimmung kritischer Energiefreisetzungsraten die vorgesehenen experimentellen Kapazitäten überstieg. Dies galt insbesondere nach dem Zurückziehen des Angebotes zur Probenherstellung und -prüfung am Leichtbau-Zentrum Sachsen. Als Randbedingungen für repräsentative Volumenelemente werden meist periodische Randbedingungen verwendet. Diese schränken jedoch die zulässige Lage von Lokalisierungszonen ein. Um Versagensflächen in beliebiger Richtung realisieren zu können, wurde mit Tesselationsrandbedingungen eine Verallgemeinerung von periodischen Randbedingungen vorgeschlagen. Wie andere adaptive Randbedingungen sind Tesselationsrandbedingungen an die Lage von Lokalisierungszonen anpassbar. Im Gegensatz zu weiteren in der Literatur vorgeschlagenen adaptiven Randbedingungen schließen Tesselationsrandbedingungen jedoch die Herausbildung typischer fehlerhafter Lokalisierungszonen in Rand- und Eckbereichen des repräsentativen Volumenelementes aus. Mit dem Vorschlag einer Modifikation der Hough-Transformation wurde außerdem deren Tendenz, Lokalisierungszonen in Richtung der Diagonalen des Volumenelementes zu identifizieren, korrigiert. Nach Stand der vorliegenden Arbeit bleibt die Anwendung der numerischen Homogenisierung bei Entfestigung eine im Einzelfall anspruchsvolle Aufgabe, die jedoch keinen prinzipiellen Einschränkungen mehr unterliegt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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»Application of Real-Time Photoelastic Analysis to Single Fibre Fragmentation Tests«. In: Applied Mechanics and Materials 24 (2010), Seiten 239–244
S. Blobel u. a.
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»Inelastic material behavior of polymers - Experimental characterization, formulation and implementation of a material model«. In: Mechanics of Materials 52.0 (2012), Seiten 40–57
M. Kästner u. a.
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»A semi-automatic measurement system based on digital image analysis for the application to the single fiber fragmentation test«. In: SPIE Optical Metrology 2013. Band 8791. 2013, 87911H-1–87911H-8
S. Blobel, K. Thielsch und V. Ulbricht
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»Material Characterization for Constituents of Fiber Reinforced Polymers by Experiments and Prediction of Effective Composite Properties«. In: 21st Symposium on Composites. Herausgegeben von A. S. Herrmann. Band 742. Key Engineering Materials. Trans Tech Publications, Aug. 2017, Seiten 714–722
J. Goldmann, M. Kaestner und V. Ulbricht
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»On boundary conditions for homogenization of volume elements undergoing localization«. In: International Journal for Numerical Methods in Engineering 113.1 (2017), Seiten 1–21
J. Goldmann, J. Brummund und V. Ulbricht