Das Timing von Djembe-Rhythmen: Mikrorhythmische Strukturen und metrische Grundlagen westafrikanischer Perkussionsmusik
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die empirische, computergestützte Analyse des Timings von Djembe-Rhythmen aus Mali erwies sich als außerordentlich fruchtbar. Fast alle Djembe-Rhythmen werden mit ausgeprägtem »Swing« oder »Feeling« gespielt: Die drei oder vier Pulse, die den regelmäßigen Grundschlag (Beat) unterteilen, sind nicht isochron, d.h. sie sind nicht äquidistant, sondern ungleichmäßig verteilt. Die ungleichen Pulsdauern bilden regelmäßige, stabile Muster, die sich nach jedem Beat wiederholen. Die Strategie, zusätzliche Schläge regelmäßig genau dort einzufügen, wo die Pulsation innerhalb eines Beats ihre geringste Dichte hat (wo regelmäßig der größte Abstand zwischen zwei Pulsen besteht), ergibt in manchen Rhythmen eine organisch wirkende Verschachtelung mit einer ebenfalls ungleichmäßigen zweiten Pulsationsebene. Auch die Synthese von Wirbeln beruht auf solch organischer Verdichtung ungleichmäßiger Pulsationen. Ornamentik, Pulsation und synchrone Pulsationsverläufe erscheinen als koordinierte Ebenen eines metrischen Systems. Diese Metrik ist komplexer strukturiert und auch tiefer gestaffelt als es die gängige Theorie der Elementarpulsation (engl. density referent) vorsieht. Bislang wurden mikrorhythmische Phänomene meist als geringfügige, motorisch bedingte Abweichung oder expressive Ausgestaltung einer im Prinzip gleichmäßigen Pulsation interpretiert. Die ungleichmäßigen Pulsationen von Djembe-Rhythmen bilden dagegen einen integralen und sogar prägenden Bestandteil ihrer metrischen Struktur. Die in manchen Djembe-Rhythmen angelegte Möglichkeit, zwischen verschiedenen, ineinander verschachtelbaren ungleichmäßigen Pulsationen wählen oder wechseln zu können, dient der flexiblen Manipulation der rhythmischen Dichte. Dabei scheint es nicht um eine konfligierende oder ambivalente Qualität – um rhythmische Reibung oder metrische Dissonanz – zu gehen, wie sie afrikanischer Polyrhythmik vor dem Hintergrund der empirisch unbelegten Annahme rationaler Dauernrelationen (1:2 für Off-Beat, 2:3 für Hemiolen usw.) oft zugesprochen wird. Die Tendenz ist vielmehr, nahe beieinander liegende metrische Ebenen so zu verschachteln, dass die rhythmische Dichte einerseits abgestuft (und nicht etwa exponential durch Verdoppelung/Halbierung) manipuliert werden kann und andererseits dies ohne viel Aufhebens möglich ist. Dies widerspricht fundamental der nahezu axiomatischen Annahme, dass die Wahrnehmung bzw. Gestaltung und Synchronisation rhythmischer Pulsationen stets auf rationalen Dauernverhältnissen beruht. Im Antrag ging das Projekt vom Konzept äquidistanter, linearer Pulsationen aus, die nur auf spezielle Art gestaucht und gedehnt sowie potentiell mehrgleisig koordiniert würden. Entgegen dieser Erwartung ließ sich die Metrik von Djembe-Rhythmen nicht als Mischung und Multiplikation von eigentlich linearen Pulsationen erklären. Die Pulsationen von Djembe- Rhythmen entpuppten sich vielmehr als von Hause aus ungleichmäßig. Ungleichmäßige Pulsationen bilden den Regelfall und strukturellen Hintergrund, vor dem sich Personalstile unterscheiden und expressives Timing abhebt. Ihre Ableitung vom Konstrukt eines gleichmäßig-linearen, mentalen Hintergrundsrasters, wie in der ethnomusikologischen Theorie der Elementarpulsation postuliert, stellte sich unerwartet deutlich als unangemessen heraus.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- 2006 Swing, Feeling, Phrasing: Strategies and Relevance of Micro- Timing in Djembe Music. Summerschool: Professional development for djembe players/teachers, University of the Professional Arts, Rotterdam, 05.–14. Juli 2006
- 2007 Das Timing von Djembe-Rhythmen. Jahrestagung des Nationalkomitees des ICTM (International Council for Traditional Music), Universität Bamberg, 09. Februar 2007