Automatische, situativ angepasste Steuerung des kollektiven Verhaltens von Multirobotersystemen bei der Bearbeitung gemeinsamer Fertigungsaufgaben
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Zielsetzung des Projekts war es, grundlegende Lösungsansätze zu erarbeiten, die für Mehrroboter-Anwendungen in der schweißtechnischen Praxis einerseits eine schnellere und leichtere Inbetriebnahme mit mehreren kollaborierenden Geräten ermöglichen und andererseits eine flexiblere Nutzung der Anlage im Betrieb gewährleisten. Im Vordergrund der Entwicklungsarbeiten standen dabei vor allem die bislang überaus komplexe und zeitaufwändige Programmierung sowie die Synchronisierung der Roboter bei ihrer Arbeit an einer gemeinsamen Fertigungsaufgabe. Ein neues Steuerungskonzept mit autonomen Fähigkeiten sollte zu deutlichen Verbesserungen führen und zugleich ein schnelleres Anpassen an neue Fertigungsaufgaben ermöglichen. Gleichzeitig sollte es ein koordiniertes Arbeiten von heterogen zusammengesetzten Industrieroboter-Teams unterstützen. Hierzu fehlte es bisher an geeigneten technischen Lösungen. Mit den hier beschriebenen Arbeiten konnte gezeigt werden, wie sich ROS-basierte Softwarebausteine und Standardfunktionen für die Robotik als OpenSource-Produkte nutzen lassen, um intelligente Steuerungslösungen im Sinne von Industrie 4.0 zu realisieren. Es entstand, basierend auf ROS, ein neuartiges Planungs- und Steuerungssystem für Mehrroboter-Anwendungen, das sich durch autonome Fähigkeiten auszeichnet und in der Lage ist, selbstständig die Organisation und Koordination der Roboterarbeit innerhalb eines Kollektivs von Industrierobotern zu übernehmen. Durch seine Offenheit unterstützt die Lösung die Zusammenarbeit beliebiger Gerätekonstellationen. Einzige Nutzer-Eingabe ist eine metasprachliche Beschreibung der Arbeitsaufgabe. Die Projektergebnisse belegen, dass die Ziele des Forschungsvorhabens erreicht wurden. Dabei konnte die technische Machbarkeit des gewählten Lösungsansatzes anhand von Applikationstests mit Muster-Bauteilen demonstriert und in der Simulation erfolgreich nachgewiesen werden. Entgegen der ursprünglichen Planung musste auf eine Anbindung des neuen Steuerungskonzepts an reale Industrieroboter und Peripherieeinheiten verzichtet werden, da die Interaktion aufgrund von Kommunikationsproblemen mit den zur Verfügung stehenden Robotersteuerungen nicht in einem angemessenen Zeit- und Kostenrahmen lösbar war. Vor allem die Integration des Dreh-Kipp-Tisches als Werkstück-Positionierer in das gewählte Hardwarekonzept sowie dessen Ansteuerung im Verbund mit den Industrierobotern hätten zusätzlichen technischen Aufwand, Zeit und Investitionen bedeutet, die den Arbeitsplan und den finanziellen Rahmen des Projekts gesprengt hätten. Stattdessen wurde mit virtuellen Industrierobotern und Peripherie-Systemen in der Simulation erfolgreich gearbeitet. Anhand von Anwendungsszenarien aus der schweißtechnischen Praxis wurden unterschiedliche Lösungen zur Selbst-Organisation der Roboterarbeit im Kollektiv und zur autonomen Planung kollisionsfreier Bewegungspfade erarbeitet und erfolgreich erprobt. In diesem Zusammenhang konnten leistungsfähige ROS-basierte Planungsalgorithmen gefunden und implementiert werden. Die erzielten Planungszeiten bewegen sich in einer akzeptablen Größenordnung. Sie verlängern sich mit zunehmender Komplexität der Anlagenkinematik, da vor allem die Lösung der Inversen Kinematik und auch die Kollisionsprüfung zur Laufzeit wesentliche Anteile an der resultierenden Planungszeit haben. Aufgrund der Tatsache, dass ROS derzeit nur Berechnungen und Steuerungsaktionen für jeweils ein Gerät mit seiner entsprechenden URDF unterstützen kann, war eine teilweise sequentielle Abarbeitung der Planungs- und Steuerungsaufgaben nicht zu vermeiden. Um dieses Defizit zu umgehen, wurden Untersuchungen mit sogenannten „Gruppen-URDFs“ durchgeführt. Sie führten zu vielversprechenden Ergebnissen bei Kollektiven mit zwei bis drei Geräten bzw. Kinematiken mit einer Anzahl bis zu 15 Achsen. Mehr als diese Achsenzahl stellt jedoch zunehmend Probleme an eine Planung mit Gruppen-URDFs, da immer mehr Laufzeit-Überschreitungen wirksam werden, die dann nur durch eine Pfad-Planung für jedes einzelne Gerät mit individueller URDF zu kompensieren sind. Naturgemäß verlängert dieses die Planungszeiten. Um daher bei Mehrroboter-Anwendungen mit einer größeren Anzahl an kollaborierenden Geräten, d.h. bei komplexerer Kinematik, weiterhin akzeptable Planungszeiten gewährleisten zu können, ist eine Parallelisierung der Planungsprozesse mit mehreren ROS–Master Servern und Frameworks sicherlich ein vielversprechender Lösungsansatz. Die durchgeführten Untersuchungen haben dieses bereits ansatzweise bestätigt. Offen ist jedoch die Frage der Kollisionsvermeidung zwischen den sich dann bewegenden Robotern. Sie verlangt eine entsprechende Lösung, die derzeit vom ROS-Framework nicht unterstützt wird. Der Einsatz von geeigneter Sensorik wäre ein denkbarer Ansatz, der weiter zu entwickeln wäre. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass mit zunehmender Digitalisierung der Fertigung und seiner Prozesse in Zukunft hoch flexible Roboteranlagen mit intelligenter Steuerungstechnik und autonomen Fähigkeiten eine immer wichtigere Rolle spielen werden. Mit dem durchgeführten Vorhaben und seinen Ergebnissen wurden erste Lösungsansätze für eine erfolgreiche Umsetzung aufgezeigt. ROS bietet dabei speziell für weitere Entwicklungen in der Robotik nützliche Tools und ermöglicht die Realisierung leistungsfähiger und zugleich standardisierter, offener Lösungen, die, eine entsprechende Entwicklungsreife vorausgesetzt, im Sinne von „Industrie 4.0“ durchaus ihre Anwendung in der industriellen Praxis finden werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Flexible Collaboration and Control of Heterogeneous Mechatronic Devices and Systems by Means of an Event-driven, SoA-based Automation Concept IEEE ICIT 13 Conference, Capetown/South Africa, 25-27 February 2013
G. Starke, D. Hahn, Th. Kunkel
- Advanced Robotic Control in Industrial Automation GGITS-Gyan Gangar College of Technology and Science, Jabalpur / India, 29 October 2014
D. Hahn, G. Starke
- Robotics Research at APS AUTOSOL – Mechanical/Automotive Engineering Workshop, 22-23 September 2014, APS/Aachen
G. Starke
- Industrial Robotics and Automation Indo –German Week / Industry Forum; Chittkarah University, Chandigarh / India, 16-21 Feb 2015
D. Hahn, G. Starke
- Robotikforschung bei APS. Eröffnungskolloquium des Instituts für Mobile Systeme und Kognitive Robotik (MASKOR) 20. November 2015, Fachhochschule Aachen
G. Starke