Raumkonzeption im früheren Zoroastrismus. Kosmische, kultische und soziale Aspekte
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In den religiösen Auffassungen schließt der Themenbereich der Raumvorstellung sowohl Räume als sinnlich wahrnehmbare Gegenstände als auch Räume, die sich in Sinnkonstellationen herausbilden, ein. Er deckt somit verschiedene Aspekte des Raums ab: Raumgottheiten, kosmographische Konzeptionen, jenseitige Raumvorstellungen, Raumkoordination, Raumordnungssysteme im Ritual, sozioräumliche Gesellschaftsstrukturen sowie symbolische Raumordnungen. Im vorliegenden Projekt wurden diese Vorstellungen in drei kosmische, kultische und soziale Räume eingeteilt und anschließend untersucht. Hierfür wurden die ältesten Textquellen der iranischen Kultur, avestische Texte und altpersische Inschriften (ca. 1200 – 300 v. Chr.), sowie archäologische Zeugnisse aus der Achämenidenzeit (559 – 330 v. Chr.) herangezogen. Das für den kosmischen Raum grundlegende Ordnungssystem ist ein Koordinatensystem, d. h. Konstanten, nach denen sich die Menschen im Raum orientieren. Aus den textlichen Quellen sowie den Orientierungen der achämenidischen Bauten konnte festgestellt werden, dass die Altiraner nicht die Haupthimmelsrichtungen als Koordinatensystem verwendeten, sondern vier Solstitialpunkte, d. h. die Sonnenstandpunkte beim Sonnenaufgang und -untergang an der Winter- und Sommersonnenwende, und den Sonnenstandpunkt am Mittag. Unter diesen fünf Punkten heben sich zwei hervor: die Sonnenstandpunkte beim Sonnenaufgang am Sommersolstitium und beim Sonnenuntergang am Wintersolstitium; ihre Verbindung bildet die Hauptachse. Die Untersuchung der altiranischen Kosmographie stellt dar, dass sich die Altiraner den Kosmos in Form eines Eis vorstellten (Ei-Kosmologie). Danach bildet der Himmel die Schale eines Eis, innerhalb dessen sich der Himmelsozean befindet. In diesem Ei schwebt die Erdscheibe wie eine Insel auf einem Ozean. Die Berge werden bei diesem Weltbild für die Verbindung zwischen Himmel und Erde und somit für die Götter- und Menschenwelt gehalten. Die Erde besteht aus sieben Kontinenten: das Wohngebiet der Iraner wird in einem Kontinent im Erdzentrum verortet; die sechs peripheren Kontinente liegen auf einem Kreissektor zwischen den Sonnenstandpunkten beim Sonnenaufgang und ihrem Untergang am Sommersolstitium. Bei diesem Vorhaben wurden die Ritualflächen zweier bedeutender zoroastrischer Rituale, wie sie in der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends v. Chr. aufgebaut wurden, aus ihren Textbelegen rekonstruiert. Diese Rekonstruktionen zeigen enorme Unterschiede zu den Ritualflächen derselben Rituale in den späteren Zeiten. Somit konnten Symmetrisierungsversuche, Ent- und Rekonzeptionalisierungen festgestellt werden, nachdem die Ritualelemente defunktionalisiert worden waren und räumlich flexibler verortet werden konnten. Über diese drei Räume hinaus wurden Gemeinsamkeiten herausgearbeitet. Diesbezüglich konnte z. B. festgestellt werden, dass die Raumordnung der Stadtarchitektur der sasanidischen Stadt Ardašīr-xwarrah im dritten Jh. ein zoroastrisches räumliches Idealmodell implementiert, das ebenso einer textlich tausend Jahre früher bezeugten Utopie, der Burg Yimas, zugrunde liegt. Das Modell besteht aus einem sanctum sanctorum, einem religiopolitischen übergeordneten Hauptpunkt oder aus entgegengesetzter Richtung betrachtet aus einer Verunreinigung im Zentrum, die von drei hierarchisierten konzentrischen Ringen umgeben ist. Dieses Konzept regiert auch eine kognitive Karte, die in der Linearisierung der achämenidischen Reichsländer auf einer Inschrift von Xerxes repräsentiert wird. Dieselbe Raumkonzeption zeigt sich im dreistufigen Feuerständer auf dem Grabrelief Dareiosʼ sowie auf der Ritualfläche eines Reinigungsrituals, auf denen jeweils ein sakrales Ritualelement (Feuer) oder eine Verunreinigung nach demselben Modell von der Umwelt abgesondert wird.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„On the Old Iranian Social Space and its Relation to the Time Ordering System“. In: Proceedings of the 7th European Conference of Iranian Studies. Cracow, 7th – 10th September 2011 (2013)
Kianoosh Rezania
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Raumkonzeptionen in antiken Religionen. Beiträge des internationalen Symposiums in Göttingen, 28. und 29. Juni 2012 (Philippika 69). Wiesbaden: Harrassowitz 2014, ISBN: 978-3-447-10139-4
Kianoosh Rezania (Hrsg.)
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„Das Zentrum und sein Kreis, Ahura Mazdā und sein Kosmos. Die rituellen und zeitlichen Homöomorphismen eines topologischen Modells“. In: Kianoosh Rezania (Hrsg.): Raumkonzeptionen in antiken Religionen. Beiträge des internationalen Symposiums in Göttingen, 28. und 29. Juni 2012 (Philippika 69). Wiesbaden: Harrassowitz 2014, 211-43
Kianoosh Rezania
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„Einleitung: Raum und Religion“. In: Kianoosh Rezania (Hrsg.): Raumkonzeptionen in antiken Religionen. Akten des internationalen Symposions in Göttingen, 28. und 29. Juni 2012 (Philippika 69). Wiesbaden: Harrassowitz 2014, 1-19
Kianoosh Rezania
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„Immanenz und Transzendenz im Zoroastrismus: Absenz, Nachbarkonzepte und Entstehung.“ In: Estudios Iranios y Turanios 1 (2014), 103-27
Kianoosh Rezania