Boundary work - Polizei in Westafrika
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Genau wie andere gesellschaftliche Teilbereiche ist auch Polizeiarbeit immer stärker international verflochten. Eine regelrechte Polizeireformindustrie trägt Modelle polizeilicher Arbeit nach Westafrika, von Trainingsmaßnahmen bis zu Forensiklabors. Basierend auf mehrmonatigen Feldforschungen liefert das Projekt einen Einblick in die alltäglichen Abläufe und Organisationswirklichkeiten dieser transnationalen Interaktionen. Ergebnis dieser Forschung ist die Erkenntnis, dass die konkreten Programme zwar meist scheitern, dass aus dem informellen Miteinander von europäischen und westafrikanischen Polizisten aber trotzdem die Möglichkeit organisatorischen Wandels entsteht. Durch das Erzählen von Geschichten artikulieren, stabilisieren und hinterfragen Polizisten bisher selbstverständliche Vorstellungen von polizeilicher Identität und polizeilichen Praktiken. Die dabei entstehenden Kontingenzerfahrungen haben das Potential, eine tiefgreifende Veränderung der Polizeiapparate in Westafrika anzustoßen. Nicht die offiziellen Reformexporte, sondern informelle Interaktionen in deren Windschatten ermöglichen organisatorischen Wandel. Mit diesem Ergebnis leistet das Forschungsprojekt auch einen grundsätzlichen Beitrag dazu, transnationale Verflechtungen und Normentransfer neu zu verstehen. Die Texte des Forschungsprojekts empfehlen sich daher auch als wichtiger Ratgeber für Experten und Praktiker der Entwicklungszusammenarbeit im Sicherheitssektor. Die überraschende Bewertung scheinbar scheiternder internationaler Polizeikooperation war nur möglich, weil die Forschung keine normative oder evaluative Ausrichtung hatte. Die Neubewertung des informellen Austauschs bei Polizeizusammenarbeit könnte als Anleitung für zukünftige Polizeikooperation dienen. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts wurden öffentlichkeitswirksam kommuniziert. Die Dissertation der Projektmitarbeiters Mirco Göpfert wurde 2014 mit dem Forschungsförderungspreis der Frobenius-Gesellschaft ausgezeichnet, einem der wichtigsten Preise der deutschsprachigen Ethnologie.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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2011: „Ground work“ und „paper work“: Feldzugang bei Polizeiorganisationen in Westafrika. Zeitschrift für Ethnologie 136, 189-214
Beek, Jan und Göpfert, Mirco
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2012: Security in Niamey: an anthropological perspective on policing and an act of terrorism in Niger. Journal of Modern African Studies 50(1): 53-74
Göpfert, Mirco
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2012: “There should be no open doors in the police”: criminal investigations in Northern Ghana as boundary work. Journal of Modern African Studies 50(4), 551-572
Beek, Jan
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2013: Bureaucratic aesthetics: report writing in the Nigérien gendarmerie. American Ethnologist 40 (2), 324-334
Göpfert, Mirco
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2013: Police violence in West Africa: perpetrators’ and ethnographers’ dilemmas. Ethnography 14 (4), 477–500
Beek, Jan und Göpfert, Mirco
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2013: State violence specialists in West Africa. Sociologus 63 (1- 2), 103–124
Beek, Jan und Göpfert, Mirco
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2014: “I take an oath to the state, not the government”: Career Trajectories and Professional Ethics of Ghanaian Public Servants, in Bierschenk, Thomas und Olivier de Sardan, Jean-Pierre (Hg.): States at Work: Dynamics of African Bureaucracies. Leiden, Boston: Brill, 175-204
Lentz, Carola