Ethnographische Bestandsaufnahme der rituellen Heilerlandschaft der Monpa im Medizinpluralismus von Dirang und Tawang (Arunachal Pradesh, Indien)
Final Report Abstract
Rituelle Heilung im Gebiet der Monpa von Arunachal und in Ost-Bhutan basiert allgemeinhin auf der Wiederherstellung der Ordnung des kosmologischen und sozial-moralischen Beziehungs- und Verhaltensgeflechts aus Menschen und ambivalenten, nicht-menschlichen Wesen, die die unmittelbare Umgebung bewohnen. Mit Hilfe der rituellen Heiler wird durch das Offerieren von Opfergaben und Patientensubstituten an die ursächlich vom Patienten verunreinigten nichtmenschlichen Wesen Reinheit in der rituellen Kosmologie und somit Gesundheit wiederhergestellt. Die Ordnung und Reinhaltung dieser Kosmologie und die rituellen Heiler, die sie kontrollieren, bedingt nicht nur individuelle Gesundheit sondern auch Glück und Unglück der Gemeinschaft, Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit von Mensch, Tier und Pflanze. Diese Art von Kosmologie aber auch die sozialen Beziehungen zu den Patienten fällt bei Ärzten der westlichen Medizin, die meist von außerhalb kommen, oft eine andere Sprache oder Dialekt sprechen und ein wissenschaftlich geprägtes Weltbild haben, vollkommen weg. Hier spielt eher eine Rolle, ob der Institution Krankenhaus oder auch westlichen Medikamenten vertraut wird, und ob bzw. wie diese zugänglich sind. Die unterschiedlichen Kosmologien von Heilern und Ärzten können sich jedoch ebenso überlagern bzw. parallel existieren je nach Krankheitsfall oder auch Patient. Ost-Bhutan ist im Vergleich zu Arunachal Pradesh weniger stark vom nationalen Gesundheitssystem aber auch von klösterlichen exil-tibetisch dominanten Strukturen durchdrungen und auch noch nicht so stark beeinflußt von modernen (und rituelle Heilung generell diskriminierenden) Vorstellungen von Rationalität und Irrationalität bzw. Wissenschaft. Meine Hypothese ist es, daß diese Umstände auch dazu führen, daß sich hier (noch) eine größere Vielfalt und Anzahl von rituellen Heilern und Heilmethoden findet als in Arunachal und man daher von einem Heilerpluralismus anstelle eines Medizinpluralismus sprechen sollte. Zumindest ist dieser Zusammenhang zwischen der Dominanz bzw. relativ marginalen Präsenz sozio-politischer Institutionen wie Klöster, Hospitäler, Medizin und von Ärzten (gleich ob traditionell oder westliche), aber auch von hochangesehenen Lamas, die mit entsprechend gegenteiliger Häufigkeit und Vielfalt ritueller Heilpraktiken und Heilern zu korrelieren scheint, eine Hypothese, die genauer zu untersuchen Wert ist, will man Prozesse des sozialen Wandels und Gesundheits- und Krankheitsverhalten besser verstehen. So lassen sich die unterschiedlichen Verhandlungsprozesse in Sachen Krankheit und Gesundheit sowie das Patientenverhalten auf indischer und bhutanesischer Seite und auch der Einfluß der entsprechenden Gesundheitssysteme auf diese gemeinsame kulturelle Heilerlandschaft miteinander vergleichen, was Teil meiner zukünftigen Forschungsaufgabe sein wird. Basierend auf den oben vorgebrachten Ergebnissen und Überlegungen wird es erst aus der Patientenperspektive und –verhalten und an Hand von Fallbeispielen von Heilritualen und Krankheitsepisoden heraus gelingen, sowohl den Heilerpluralismus als auch das Gesundheitsverhalten und weit verbreitete Vorstellungen von Krankheit und Gesundheit genauer zu untersuchen. Was ist subjektiv, lokal oder auch durch ethnische Zugehörigkeit bedingt, und was ist strukturell durch sozialen Wandel bedingt wie Zugang zu medizinischer Versorgung, Schulausbildung, Generationenspalt, Profession etc. Welche Rolle spielt die Person bzw. Familie des Patienten, die Art der Krankheit, die Autorität eines bzw. Vertrauen und soziale Beziehung zu einem Heiler? Wie fließend sind Heilpraktiken bzw. wie abhängig sind sie von anderen Strukturen? Wie werden unterschiedliche Gesundheits- und Krankheitskonzepte in einer sich im sozialen Wandel befindlichen, marginalen Gesellschaft miteinander verhandelt? Auch die Beziehungen der Heiler und Ärzte untereinander erschließen sich nicht von selbst sondern sind Teil eines komplexen Beziehungsgeflechts von sozialen Vernetzungen, die erst durch spezifische Krankheitsfälle und Patientenverhalten greifbar werden, was in meinem anschließenden Forschungsprojekt untersucht werden soll.
Publications
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10.11.2011: ‘Rituelle Heiler in Ost-Bhutan’, AG Medical Anthropology, Freie Universität Berlin
Mona Schrempf
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09.02.2012: “Spider and Soul – Spirit Matters in the Eastern Himalayas”, University College London, Medical Anthropology Series
Mona Schrempf
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12-15.10.2012 “Health and Development on the Indian-Bhutanese Border”, 3rd Conference of the Asian Borderlands Research Network, Kunming, China
Mona Schrempf