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Somatosensorische Wahrnehmungs- und Bewertungsprozesse bei Personen mit Hypochondrie

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2011 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 190966775
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Veränderungen im Bereich der somatosensorischen Verarbeitung und insbesondere bezüglich der Interozeption werden seit längerer Zeit als bedeutsame Faktoren der Entstehung und Aufrechterhaltung der Krankheitsangststörung (KAS) diskutiert. Bislang liegen jedoch nur wenige und meist widersprüchliche empirische Befunde zu dieser Thematik vor. In dem vorliegenden Projekt wurden daher mit Hilfe experimenteller Untersuchungsparadigmen Prozesse der interozeptiven und exterozeptiven Reizverarbeitung bei 51 Personen mit Krankheitsangststörung (KAS) und 56 Kontrollpersonen (KG) ohne psychische Störung untersucht. Die Interozeptionsfähigkeit wurde hierbei mit Hilfe des Schandry-Paradigmas zur Erfassung der Herzratenwahrnehmungsfähigkeit, sowie mit einem neuartigen Paradigma zur Erfassung der individuellen Detektionsfähigkeit spontaner Fluktuationen in der elektrodermalen Reaktion operationalisiert. Veränderungen in der exterozeptiven Verarbeitung taktiler Reize wurden mit Hilfe eines Signal-Entdeckungs-Paradigmas (Somatic-Signal-Detektion-Task; SSDT), sowie mit dem taktilen Affekt-Misattributions-Paradigma (tAMP) getestet. Bezüglich der Herzratendetektionsaufgabe zeigten sich keinerlei Unterschiede zwischen der KAS und der KG hinsichtlich der Interozeptionsfähigkeit. Innerhalb des Spontanfluktuations-Paradigmas wiesen Patienten mit KAS zunächst eine verbesserte Fähigkeit in der Detektion von spontanen phasischen Veränderungen in der Hautleitfähigkeit auf, allerdings zeigten nachfolgende Analysen, dass dieser Effekt primär durch KAS-Patienten mit komorbider Angststörung vermittelt war. KAS-Patienten ohne komorbide Angststörung zeigten hingegen keine verbesserte Detektionsfähigkeit als die KG. Allerdings zeigte die gesamte KAS-Gruppe im Vergleich zur KG ein signifikant liberaleres Antwortverhalten (c-Parameter) innerhalb des Spontanfluktuations-Paradigmas, was auf eine Überschätzung von physiologischen Ereignissen in der KAS-Gruppe hindeutet. Bezüglich der Exterozeption zeigte sich innerhalb des SSDT-Paradigmas eine marginal geringere Wahrnehmungsschwelle in der KAS-Gruppe im Vergleich zur KG. Darüber hinaus zeigte lediglich die KG, nicht jedoch die KAS eine signifikante cross-modale Sensitivierung (im Sinne einer verbesserten Detektionsfähigkeit schwacher taktiler Reize durch einen simultan applizierten Lichtreiz), sowie ein konservativeres Antwortverhalten über den Verlauf des Experiments, während beide Phänomene in der KAS nicht zu beobachten waren. Es zeigten sich keinerlei Hinweise auf Veränderungen in der automatischen Bewertung taktiler Reize innerhalb des tAMP. Die Ergebnisse sprechen insgesamt gegen die Annahme einer verbesserten Interozeptionsfähigkeit bei Patienten mit KAS und liefern vielmehr Belege für Verzerrungen im Bereich der interozeptiven und exterozeptiven Reizverarbeitung. Die Spezifität der Befunde für die KAS gegenüber anderen, symptombezogenen somatoformen Störungen (z.B. Somatisierungsstörung und undifferenzierte somatoforme Störung) sollte in weiteren Studien geklärt werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2012). Can’t suppress this feeling: Automatic negative evaluations of somatosensory stimuli are related to the experience of somatic symptom distress. Emotion, 12, 640-649
    Witthöft, M., Basfeld, C., Steinhoff, M. & Gerlach, A. L.
 
 

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