Early American Short Narratives: Developing a scholarly corpus of early forms of short narratives in American literature prior to 1800
Final Report Abstract
Die im Zuge des Forschungsprojekts „Early American Short Narratives: Erschließen eines Korpus kurzer Erzählformen in der amerikanischen Literatur vor 1800“ entwickelte und als Anthologie erscheinende Korpus kurzer Erzählungen untermauert die theoretischen Ansätze zu einer transnationalen Literaturforschung mit Beispielen für die thematischen, inhaltlichen und materiellen Verbindungen zwischen Erzählungen aus unterschiedlichen Sprachräumen und Epochen und bietet innovative Ansätze für eine kulturwissenschaftliche orientierte Er-zählforschung. Die durch das Projekt erzielte Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes auf vielsprachige Quellen wurde durch die transnationale Theoriebildung in den American Studies flankiert. Gleichzeitig lotet das Projekt die Grenzen dieses Ansatzes aus: Die potentiell unendlichen Verknüpfungen oder zeitlichen Überlappungen von Erzählungen aus unterschiedlichen Sprach- und Kulturräumen sind mitunter schwierig zu erfassen und oft mangelt es am Zugang zu Quellen außerhalb des englischen Sprachraums. Zum einen zeigt das Projekt, dass gerade die bisher von der Forschung vernachlässigten Kurzerzählungen in Zeitschriften, Predigten, Berichten und persönlichen Aufzeichnungen typische Beispiele für literarische Netzwerke bestehend aus vielschichtigen Übersetzungsprozessen, Adaptionen und Überlieferungen sowie den zeitgenössischen Bedingungen von Literaturproduktion und Rezeption sind. Zum anderen erlaubt die Netzwerkperspektive die Betrachtung und Be-schreibung von Erzählungen in ihren vielfältigen Formen und Funktionen z.B. als Gebrauchs-gegenstände und Waren im transatlantischen Raum im Gegensatz zu eng an der Nation ausgerichteten Literaturgeschichten, die die koloniale Textproduktion bisher aus ästheti-schen Gesichtspunkten und bedingt durch normative Gattungsdefinitionen ausklammert. Zugleich nimmt das Projekt und die hieraus resultierende internationale Publikation der Er-gebnisse (Stanford UP) eine zentrale Rolle in der allgemeinen Neubewertung der amerikani-schen Literaturgeschichte ein, indem die Anthologie Erzählungen aus diversen handschriftli-chen und gedruckten Quellen über zwei Jahrhunderte hinweg miteinander in Verbindung setzt und deren komplexe Produktions- und Rezeptionsmechanismen sowie die damit ein-hergehenden vielschichtigen transnationalen Austauschbewegungen sichtbar macht. Im Kontext der aktuellen Debatte um die Ausrichtung der Amerikastudien im Lichte der Glo-balisierung und der darüber erfolgenden Infragestellung einer am Ideal der Nation ausgerich-teten Literaturgeschichtsschreibung ist das begleitende Monografie-Projekt in doppelter Wei-se innovativ: Zum einen erweitert es die vielfach im Kontext der zeitgenössischen Roman-literatur stattfindende Debatte um relevante Forschungsaspekte aus dem Bereich der frühen Amerikanistik und zum anderen liefert die Studie im Kontext der globalen Zirkulation von „short narratives“ eine theoriegeleitete empirische Untersuchung, wo und in welchen mate-riellen sowie kommunikativen Zusammenhängen ‚amerikanische‘ Literatur stattfindet. Es steht somit nicht mehr die Frage nach den multinationalen Wurzeln einer Weltliteratur im Vordergrund, sondern vielmehr geht es um die Frage des Prozessierens von Literatur im Zu-sammenspiel von Mobilität und Materialität von Texten. Diese Art von Mobilitätsgeschichten und kollaborativen Momenten der Literaturproduktion sind charakteristisch für den transatlan-tischen literarischen Markt des 17. und 18. Jahrhunderts. Heute als individualisierte und au-torenbezogen anerkannte Texte der Kanaonliteratur stellen sich bei genauer Betrachtung als Resultate lokaler und translokaler Gemeinschaftsunternehmungen heraus oder speisen sich aus komplexen globalen Literaturräumen, Vermischungen von Niederschriften, Raubkopien, Plagiaten, den wirtschaftlichen Zwängen des Druck- und Zeitungsgeschäfts sowie kontin-genten Momenten der mündlichen Tradierung, Zuschreibung und Übersetzung. Mit Blick auf die in den Studien zur Weltliteratur vielfach geforderte Erforschung der longue durée literari-scher Prozesse unternimmt die Studie erstmals konkrete empirische Schritte, um am Gegen-stand der transatlantischen Kurzprosa die Migration von Texten innerhalb der lokalen und translokalen „cultures of print“ in der atlantischen Welt des 17. und 18. Jahrhunderts auf-zuschlüsseln.
Publications
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“Early American Short Narratives: The Art of Story-Telling Prior to Washington Irving.” Handbook to the American Short Story: Genres–Developments–Model Interpretations, edited by Michael Basseler und Ansgar Nünning. 67-80.Trier: WVT, 2011
Oliver Scheiding and Martin Seidl
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“Migrant Fictions and the Early Story in North American Magazines.” In Mobility in English and American Literature 1500-1900, edited by Ingo Berensmeyer, Christoph Ehland, and Herbert Grabes, 197-218. REAL–Yearbook of Research in English and American Literature, vol. 28. Tübingen: Narr, 2012
Oliver Scheiding
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“Cultural Narratology and Historical Texts: Providential Narrative in Cotton Mather’s Magnalia Christi Americana.” New Approaches to Narrative: Cognition-Culture-History, edited by Vera Nünning. 187-200. Trier: WVT, 2013
Martin Seidl
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Godly Tales: Short Narratives in Transatlantic Protestant Culture 1620-1740. Paderborn: Schöningh, 2014. 9783506769497. Zugl. Diss. (210 Blätter), Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 2014
Martin Seidl
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“‘Small Tales’: Brevity and Liminality in Early American Magazines.” Kap. 8, S. 121-133, in: Liminality and the Short Story: Boundary Crossings in American, Canadian, and British Writing, edited by Jochen Achilles and Ina Bergmann. Routledge Interdisciplinary Perspectives on Literature. London: Routledge, 2014
Oliver Scheiding
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Worlding America: A Transnational Anthology of Short Narratives before 1800. Stanford: Stanford University Press, 2015. XVIII, 244 S. - 9780804790802
Oliver Scheiding und Martin Seidl, Eds.