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Der Stamm der Sarbagit - eine kirgisische Stammes-Chronik nach dem 1991 beendeten Manuskript von Japar Kenciev

Antragsteller Professor Dr. Claus Schönig (†)
Fachliche Zuordnung Islamwissenschaft, Arabistik, Semitistik
Förderung Förderung von 2010 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 191660359
 
Das Projekt dient der Veröffentlichung von stammesrelevanten Materialien {Sanjïra des Stammes der Sarbagïš) anhand der Sammlung von Japar Kenčiev, gesammelt nach mündlichen Erzählungen im Rahmen verschiedentlicher geologischer Expeditionen innerhalb der Kirg.SSR seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Diese Materialien wurden in den Jahren 1992-1993 in Fortsetzungen in der Zeitung des kirg. Schriftstellerverbandes „Kïrgïz Madaniyatï publiziert und finden sich vollständig in J. Kenčievs Manuskript (Privatarchiv von Gundula Salk). Sie zeigen die wichtigsten und fassbaren Aspekte der rezenteren Stammesgeschichte sowie detaillierte Aufzeichnungen zu den einzelnen Stammessegmenten. Darüber hinaus präsentieren sie Ereignisse und Namen prominenter Stammesmitglieder, die eine Rückdatierung - mindestens bis ins ausgehende 16. Jahrhundert - gestatten und die für Migrationsverlauf und - geschichte auch anderer kirg. Stämme ausschlaggebend waren. Gerade weil aus staatsideologischen Gründen das Tradieren von Stammeschroniken {sanjïra) bis gegen Ende der Perestroika-Phase (bis 1989) nur mündlich, d.h. hinter dem Vorhang der offiziellen Folklorebühne, weiterlebte, ist es ein relativ authochtones Kulturgut. Aufgrund der Tendenz zu kultureller Globalisierung nach 1991 enthalten diese Manuskriptmaterialien somit einen ethnischen Gedächtnisschatz, der seither aufgrund der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformation („nation-building process" nach der Schaffung des Nationalstaates Kirgizstan) neu organisiert wird bzw. in Vergessenheit gerät (soziokulturelle Amnesie). Die Studie dient somit der Dokumentation des traditionellen ethnischen Identitätsmusters und Gefüges als Teil des Kulturkomplexes zentralasiatischer Hirtennomaden.Ziel des Projektes ist neben der Publikation einer kommentierten Übersetzung des Textes (etwa 180 Manuskriptseiten in Kirgisisch) die eingehende Untersuchung der Stammesgeschichte. Für die Frühzeit liefert die Studie Ergebnisse zur ethnischen Herkunft, Formation und Migration sowie Überschneidungen von Segmentnamen der Sarbagït mit denen anderer Stämme auch außerhalb des heutigen kirgisischen Staatsterritoriums. Ein Ziel der Studie ist es daher, die ethnischen Ränder zu erfassen bzw. die Durchlässigkeit anhand der ethnischen Bewegungen auf Grundlage der mündlich überlieferten Stammestraditionen darzustellen. Für die jüngste Geschichte entwirft die Studie anhand J. Kenčievs Manuskriptmaterial die soziopolitische Stammesstruktur, die dem politischen Machtwechsel - Askar Akaev übernahm im Oktober 1990 die Präsidentschaft in Kirgizstan - vorausging.Diese Publikation wird für einen breiten Kreis von Spezialisten wie Turkologen u.a. Orientalisten, Ethnologen, Kulturanthropologen und Historikern von großem Interesse sein. Für die Kirgisen selbst bedeutet sie Sicherung eines eigenen ethnischen Kulturerbes und Erkenntnisse zur soziopolitischen Struktur, Herkunft und Geschichte des Stammes. Der Stamm der Sarbagït hatte nicht nur in historischer Zeit, sondern darüber hinaus auch zu Beginn der postsowjetischen Phase eine herausragende Rolle im ethnischen Gefüge gespielt, denn der erste postsowjetische Präsident Askar Akaev zählt zu den derzeit wohl prominentesten Stammesvertretern.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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