Juvenile delinquency in political interdiscourse: Interpretations of deviante in the context of a "punitive turn"
Final Report Abstract
Der Umgang mit Jugendkriminalität unterlag in den vergangenen Jahren deutlichen Veränderungen. Oftmals wird über diese theoretisch und normativ diskutiert, während empirisch begründete Analysen deutlich seltener vorgenommen werden. Um eine begründete Argumentation zu ermöglichen, wurde in zwei Projektteilen rekonstruiert, wie sich dieser Umgang in Deutschland von 1970 bis 2009 veränderte: Zum einen wurden praxisbezogene Zeitschriften der Sozialen Arbeit und der Polizei ausgewertet, zum anderen Debatten in sechs deutschen Parlamenten. Beides hatte zum Ziel, einschlägige Veränderungen im Zeitverlauf mittels einer Diskursanalyse differenziert zu rekonstruieren. Das Ziel der beiden Studien wurde erreicht. Es konnte für die Soziale Arbeit gezeigt werden, dass – nach einer Phase der Adaption insbesondere marxistischer bzw. kritischer Gesellschaftstheorien und der Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle im Kontrollgefüge des deutschen Staates – ab dem Beginn der 1990er eine verstärkte Zuwendung zu handlungspraktischen Fragen, aber auch zu mitunter repressiven Reaktionsformen und Präventionsansätzen zu erkennen ist. Annäherungen von Polizei und Sozialer Arbeit zeigen sich mit Blick auf die wachsende Zustimmung zu Kooperationsforderungen sowie einer Übernahme von pädagogisch begründeten Interventionsformen seitens der Polizei. Auf der Ebene der Politik zeigte sich in den 1970er und 1980er Jahren eine parteiübergreifende Zustimmung zu ‚liberalen‘ Reformen im Umgang mit jugendlicher Abweichung. Spätestens ab Mitte der 1990er Jahre kam es aber zu einem Richtungswechsel, in dessen Folge repressive und exkludierende Maßnahmen v.a. gegenüber jugendlichen ,Intensivtätern‘ gebilligt wurden. Gleichzeitig bestehen inkludierende und wohlfahrtsstaatliche Überzeugungen bis heute fort, so dass insgesamt ein komplexes und heterogenes Bild der Jugendkriminalpolitik in Deutschland konstatiert werden kann. Weitgehende Einigkeit der Parteien und auch im Bereich der Polizei sowie, jedoch stärker eingeschränkt, bei der Sozialen Arbeit besteht in Forderungen nach raschen, kooperativen und präventiven Maßnahmen gegen Jugendkriminalität.
Publications
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(2012): Die Analyse von Interdiskursen als Form qualitativer Sozialforschung. Ein Grundlagen- und Projektbericht am Beispiel Jugendkriminalität. In: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research. 13. Jg. Art. 25. 27 Absätze
B. Dollinger, M. Urban
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(2012): Ein goldenes Zeitalter der Integration? Die Repräsentation von Jugendkriminalität in polizeilichen und sozialpädagogischen Zeitschriften der 1970er Jahre. In: Kriminologisches Journal. 44. Jg., S. 279-297
B. Dollinger, M. Rudolph, H. Schmidt-Semisch, M. Urban
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(2013): Jugend und Kriminalität – Symbolisierungen von Devianz in Zeitschriften der Jugendhilfe und Polizei. In: A. Groenemeyer/D. Hoffmann (Hg.): Jugend als soziales Problem – Probleme der Jugend? Wiesbaden. S. 140-157
B. Dollinger, M. Rudolph, H. Schmidt-Semisch, M. Urban
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B. Dollinger, M. Rudolph, H. Schmidt-Semisch, M. Urban
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(2014): Soziale Arbeit in der Politik. Eine Diskursanalyse von Parlamentsdebatten am Beispiel Jugendkriminalität. In: Neue Praxis. 44. Jg., S. 439-454
B. Dollinger
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(2015): Ist die deutsche Kriminalpolitik populistisch? Eine konzeptionelle und empirische Annäherung. In: Kriminologisches Journal. 47. Jg., S. 3-21
B. Dollinger, D. Lampe, M. Rudolph, H. Schmidt-Semisch
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(2015): Von Marionettentheatern und Teufelskreisen. Punitive Entwicklungen der Sozialen Arbeit und Polizei in den vergangenen vier Jahrzehnten. In: P. Bauer/B. Dollinger/C. Füssenhäuser/F. Kessl/S. Neumann (Hg.): Praktiken der Ein- und Ausschließung in der Sozialen Arbeit. Weinheim. S. 92-106
B. Dollinger, M. Rudolph, H. Schmidt-Semisch, M. Urban
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(2015): Von Spitzeln, Zeitbomben und der sozialen Feuerwehr: Die Analyse von Interdiskursen und Kollektivsymbolen am Beispiel von Jugendkriminalität in den 1970er und 1980er Jahren. In: S. Fegter/F. Kessl/A. Langer/M. Ott/D. Rothe/D. Wrana (Hg.): Erziehungswissenschaftliche Diskursforschung. Wiesbaden. S. 283-299
B. Dollinger, M. Rudolph, H. Schmidt-Semisch, M. Urban
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(2016; in Druck): Der „Kampf“ gegen Jugendkriminalität im historischen Wandel: Vom Schutz junger Menschen zur Aufwertung gesellschaftlicher Sicherheitserwartungen. In: Zeitschrift für Diskursforschung. Ausgabe 01, Jahr 2016, Seite 51 - 70
B. Dollinger, M. Rudolph
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Ein goldenes Zeitalter des Jugendstrafrechts? Politische Debatten über Jugendkriminalität in den 1970er und 1980er Jahren in der Bundesrepublik. Soziale Probleme. April 2016, Volume 27, Issue 1, pp 95–118
D. Lampe
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Jugendkriminalität als Ergebnis politischer Konstruktionsprozesse – Eine Analyse der Jugendstrafrechtsreformen in den Jahren 1990 und 2012. In: J. Luedtke/C. Wiezorek (Hg.): Jugendpolitiken: Wie geht Gesellschaft mit 'ihrer' Jugend um? Weinheim 2016
D. Lampe, M. Rudolph
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Maneuvering with Crime. An Empirical Reconstruction of “Populist” Stances on Youth Crime in German Parliamentary Debates. European Journal on Criminal Policy and Research, June 2017, Volume 23, Issue 2, pp 193–210
B. Dollinger, D. Lampe, M. Rudolph, H. Schmidt-Semisch