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Zeit-Bild-Raum. Das Projektionsplanetarium zwischen Medienästhetik und Wissensrepräsentation

Fachliche Zuordnung Theater- und Medienwissenschaften
Kunstgeschichte
Förderung Förderung von 2011 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 192012025
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Zeiss-Werk in Jena ist der Ort, an dem das Projektionsplanetarium in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg im Auftrag des Deutschen Museums in München als optomechanisches Zusammenspiel von Sternprojektor und Betonkuppel erfunden wurde. Mit der Entwicklung von lichtstarken digitalen Ganzkuppelprojektionssystemen (Fulldometechnik) hat das Planetarium zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine tiefgreifende Veränderung erfahren, die seine ausschließliche Bindung an die Vermittlung astronomischen Wissens gelöst hat. Das Forschungsprojekt versuchte zunächst, über die vorliegenden technik- und kulturgeschichtlichen Darstellungen mit Hilfe eines medienhistorischen Ansatzes hinauszugehen. Es zeigte sich allerdings sehr schnell, dass das Fehlen des Planetariums in den einschlägigen Darstellungen der Mediengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts seine guten Gründe hat. Weder die offensichtlich vorhandenen Verbindungen zum Panorama (360°-Gemälde) noch die ebenfalls deutlich erkennbaren Bezüge zur Kinotechnik eröffnen eine tiefergehende Einsicht in die Eigenart dieses besonderen Gebäudes. Seine eigentümliche Vieldeutigkeit erschließt sich erst einem wissensgeschichtlich informierten Blick, der im Projektor ein Modell und in der projizierten Bewegung von Sternen und Planeten eine Simulation erkennen kann. Um den sich daraus ergebenden, sehr unterschiedlichen Rezeptions- oder Verwendungsweisen des Planetariums methodisch zu entsprechen, bot sich der Begriff des Grenzobjekts (Griesemer u. Star) an. In seinem Licht erscheint das Planetarium als ein künstliches Environment, in dem sehr verschiedene epistemische und keineswegs nur astronomische Haltungen gegenüber dem Himmel ihren Ort finden und miteinander interagieren können. Sie reichen von der ästhetischen Begegnung mit einem in der Moderne vielfach verschwundenen Naturphänomen bis zur Einübung in die Unterscheidung von Mustern (Sternbildfiguren) und die Ausbildung des Orientierungsvermögens für die Navigation in See-, Luft- und Raumfahrt. Hinzu kommt der punktuelle, gleichwohl aber bedeutsame Einsatz als Experimentalraum im Bereich der Tierverhaltensforschung sowie als audiovisuelles psychedelisches Environment. Das Wissen der neuzeitlichen Astronomie seit Nikolaus Kopernikus, Tycho Brahe und Johannes Kepler erfährt im Zeiss-Planetarium eine Verräumlichung, indem es in die Situation versetzt wird, in der es zuvor entstanden war. Hatten die mechanischen Planetarien ihren Modellcharakter bis dahin zumeist aus dem Verlassen der geozentrischen Beobachterposition gewonnen, was stets Kompromisse bei der Darstellung der Entfernungs- und Größenverhältnisse erzwang, so findet durch die Trennung der mechanischen von der bildhaften Seite des Modells im Projektionsplanetarium eine Rückkehr zur ‚natürlichen‘ Perspektive statt. Indem es den Betrachter unter einem künstlichen Himmel platziert, ist es, im Unterschied zu seinen Vorgängern, eine auf den irdischen Standpunkt bezogene Darstellung kosmischer Ereignisse. Damit aber übt das Projektionsplanetarium in ein neues technoästhetisches Verhältnis zwischen Mensch und Natur ein und macht zugleich die zivilisatorisch gestaltete Lebenswelt der modernen Stadt wieder als Knotenpunkt in einem kosmischen Relationsgefüge erfahrbar.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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