Metakognitive Defizite bei Patienten mit erhöhtem Risiko für schizophrene Psychosen und deren Interaktion mit Psychopathologie, Neuropsychologie und funktioneller Bildgebung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Bereits lange vor dem ersten Auftreten einer Psychose leiden Patienten an Veränderungen in der Stimmung, im Denken, der allgemeinen Leistungsfähigkeit und im sozialen Verhalten. Von solchen frühen Zeichen ausgehend kann eine Wahrscheinlichkeitsaussage für das Auftreten einer Psychose getroffen werden: Wir sprechen vom „erhöhten Psychoserisiko“ oder, auf Englisch, dem „at risk mental state (ARMS)“. Bei Vorliegen eines ARMS dürfte etwa jeder fünfte Patient innerhalb von 12 Monaten eine Psychose, was ein mindestens 1000-fach erhöhtes Risiko für eine Psychose bezogen auf die Allgemeinbevölkerung darstellt. Deshalb benötigen zum einen alle Patienten im ARMS in spezifischer und individueller Weise therapeutische Hilfe, unabhängig davon, ob sie nach 12 Monaten nun tatsächlich die Kriterien für eine voll ausgeprägte Psychose erfüllen. Zum anderen aber bietet der Zustand ARMS die Möglichkeit, mit Methoden der neurobiologischen Forschung die zugrundeliegenden Veränderung dazustellen. In einer Zusammenführung beider Aspekte können dann Therapien entwickelt werden, die auf diese frühen Veränderungen zielen und so das subjektive Leiden lindern. Die zentrale Frage unseres Forschungsprojektes, die wir in einer großen Arbeitsgruppe multimethodisch untersucht haben, beschäftigte sich mit der Art dieser frühen Veränderungen. Dazu wurden zur Befragung der Patienten standardisierte Testverfahren, experimentalpsychologische Untersuchungen und Untersuchung mittels funktioneller Kernspintomographie durchgeführt. In diese Studien wurden Patienten mit Psychosen aus dem schizophrenen Formenkreis, Patienten mit einer ersten, psychotischen Episode und Patienten im ARMS eingeschlossen. Da zwischen diesen Gruppen deutliche Unterschiede in Alter, Geschlechtsverteilung und Bildungsstand bestehen, wurde zusätzlich eine große Gruppe von gesunden Personen untersucht, um die Patienten jeweils mit möglichst gut passenden Kontrollkollektiven vergleichen zu können. Wir fanden schon bei ARMS-Patienten Verzerrungen in den metakognitiven Fähigkeiten. Diese äußern sich in voreiligen Entscheidungen unter Wahrscheinlichkeitsbedingungen gepaart, in Defiziten bei der Differenzierungen zwischen korrekten und falschen Gedächtnisinhalten und in einem geringeren Maß an Einbindung neuer Information in den Entscheidungsprozess. Alle diese Defizite erwiesen sich als noch deutlicher, wenn eine Psychose in Vollausprägung vorlag. Die veränderte Gehirnaktivierung, die mit den in der Studie eingesetzten Paradigma erfasst werden konnte, zeigte sich hauptsächlich durch eine Minderaktivierung im ventralen Striatum und der VTA bezüglich des jumping to conclusion bias, sowie eine task-spezifische Aktivierung und reduzierte Hemisphären-Konnektivität im posterioren superioren temproalen Sulcus bezüglich der Theory of Mind-Aufgabe. Übereinstimmend mit Forschungsergebnissen anderer Arbeitsgruppen konnten wir also zeigen, dass frühe Veränderungen lange vor Auftreten einer Psychose bestehen. Diese metakognitiven Verzerrungen zeigen teilweise schon früh eine Relation zu der sich entwickelnden Wahnsymptomatik, erklärbar durch den Mechanismus einer veränderten Informationsverarbeitung und anschließend veränderten Schlussfolgerung auf der Grundlage veränderter Neurophysiologie. In der Zukunft wird es nun unsere Aufgabe sein, sehr gut verträgliche, psychotherapeutische Hilfen zu entwickeln, die genau an diesen Denkveränderungen ansetzen. Erste Schritte zu diesem Ziel sind mit dem metakognitiven Training (MKT) etabliert.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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The Early Recognition Inventory ERIraos detects at risk mental states of psychosis with high sensitivity. Comprehensive Psychiatry 2013; 54(7):1068-76
Franziska Rausch, Sarah Eifler, Andrea Esser, Christine Esslinger, Frederike Schirmbeck, Andreas Meyer-Lindenberg, and Mathias Zink
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Metamemory in schizophrenia: Retrospective confidence ratings interact with neurocognitive deficits. Psychiatry Res. 2014 Dec 2
Eifler S, Rausch F, Schirmbeck F, Veckenstedt R, Mier D, Esslinger C, Englisch S, Meyer- Lindenberg A, Kirsch P, Zink M
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Neurocognitive capabilities modulate the integration of evidence in schizophrenia. Psychiatry Research, 2014
Sarah Eifler, Franziska Rausch, Frederike Schirmbeck, Ruth Veckenstedt, Susanne Englisch, Andreas Meyer-Lindenberg, Peter Kirsch, Mathias Zink
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Overconfidence in incorrect perceptual judgments in patients with schizophrenia. Schizophrenia Research Cognition 2014; 1: 165 – 170
Steffen Moritz, Nora Ramdani, Helena Klass, Christina Andreou, David Jungclaussen, Sarah Eifler, Susanne Englisch, Frederike Schirmbeck, Mathias Zink
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Reduced activation in ventral striatum and ventral tegmental area during probabilistic decision-making in schizophrenia. Schizophrenia Research 2014; Vol. 156, Issues 2-3, p143–149
Franziska Rausch, Daniela Mier, Sarah Eifler, Christine Esslinger, Claudia Schilling, Frederike Schirmbeck, Susanne Englisch, Andreas Meyer-Lindenberg, Peter Kirsch, and Mathias Zink
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Investigation of metamemory functioning in the at risk mental state for psychosis. Psychological Medicine 2015 Nov;45(15):3329-40
Sarah Eisenacher, Franziska Rausch, Fabian Ainser, Daniela Mier, Ruth Veckenstedt, Frederike Schirmbeck, Antje Lewien, Susanne Englisch, Christina Andreou, Steffen Moritz, Andreas Meyer-Lindenberg, Peter Kirsch, Mathias Zink
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Reduced activation in ventral striatum during probabilistic decision-making in patients in an at risk mental state. Journal of Psychiatry and Neuroscience 2015 Jan 27;40(1):140191
Franziska Rausch, Daniela Mier, Sarah Eifler, Sabrina Fenske, Frederike Schirmbeck, Susanne Englisch, Claudia Schilling, Andreas Meyer-Lindenberg, Peter Kirsch, and Mathias Zink
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Aberrant activity and connectivity of the posterior superior temporal sulcus during social cognition in schizophrenia. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience 2016
Daniela Mier; Sarah Eisenacher; Franziska Rausch; Susanne Englisch; Martin Fungisai Gerchen; Vera Zamoscik; Andreas Meyer-Lindenberg; Mathias Zink; Peter Kirsch
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Bias against disconfirmatory evidence (BADE) in the ‘at-risk mental state’ and during psychosis. Psychiatry Research 2016 Apr 30;238:242-50
Sarah Eisenacher, Franziska Rausch, Daniela Mier, Sabrina Fenske, Ruth Veckenstedt, Susanne Englisch, Anna Becker, Christina Andreou, Steffen Moritz, Andreas Meyer- Lindenberg, Peter Kirsch, Mathias Zink
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Early cognitive basic symptoms are accompanied by neurocognitive impairment in patients with an ‘at-risk mental state’ for psychosis. Early Intervention in Psychiatry 2016
Sarah Eisenacher, Franziska Rausch, Fabian Ainser, Susanne Englisch, Anna Becker, Daniela Mier, Sabrina Fenske, Andreas Meyer-Lindenberg, Peter Kirsch, and Mathias Zink
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Evaluation of the “Jumping to conclusion” bias in different subgroups of the At-Risk Mental State: from cognitive basic symptoms to UHR-criteria. Psychological Medicine 2016: 46 (10) - 2071-2081
Franziska Rausch, Sarah Eisenacher, Hasan Elkin, Susanne Englisch, Sarah Kayser, Nadine Striepens, Marion Lautenschlager, Andreas Heinz, Yehonala Gudlowski, Birgit Janssen, Wolfgang Gaebel, Tanja Maria Michel, Frank Schneider, Martin Lambert, Dieter Naber, Georg Juckel, Seza Krueger-Oezguerdal, Thomas Wobrock, Alkomiet Hasan, Michael Riedel, Steffen Moritz, Hendrik Müller, Joachim Klosterkötter, Andreas Bechdolf, Mathias Zink, and Michael Wagner
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Holding on to false beliefs: The bias against disconfirmatory evidence over the course of psychosis. Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry 2016
Sarah Eisenacher and Mathias Zink