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Jüdische Diskussionen im Exil in den zwanziger Jahren: Die Pogrome 1918-1921 und der "jüdische Bolschewismus"

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2011 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 193047272
 
Das Ziel des Fortsetzungsantrages liegt darin, das 2011- 2013 mit einer Förderungsdauer von 24 Monaten begonnene Forschungsprojekt zum Abschluss zu bringen. Die Forschung musste aufgrund von Lehrverpflichtungen unterbrochen werden. Es wird eine Studie mit etwa 300 Seiten entstehen, die in der wissenschaftlichen Reihe des Fritz Bauer Instituts veröffentlicht werden soll. Die Themen der einzelnen Abschnitte werden sein: 1) Der russische Bürgerkrieg und die antijüdischen Pogrome 1917 bis 1921 2) Das antisemitische Stereotyp des sogenannten jüdischen Bolschewismus im Bürgerkrieg und der frühen Weimarer Republik 3) Jüdische Geschichtsschreibung und die Sammlung von Dokumenten in Kiev ab 1918 4) Das historische ostjüdische Archiv in Berlin ab 1921 5) Die historische Sektion des 1925 in Berlin gegründeten YIVO 6) Das Verteidigungskomitee Schwartzbards 1926/1927 in Paris 7) Die Bedeutung der jüdischen Pogromhistoriker in der jüdischen Historiographie. Der russische Bürgerkrieg und die mit ihm einhergehenden antijüdischen Pogrome liegen nach wie vor im Schatten des Zweiten Weltkrieges und der Shoah. Die Analyse des Ideologems Jüdischer Bolschewismus für diese Jahre bis 1921 wird herausstellen, dass es sich im Kern nicht um eine antibolschewistische, sondern um eine antisemitische Konstruktion handelt, die sich zudem im und nach dem Ersten Weltkrieg unauflöslich mit einer antiwestlichen Ausrichtung verband. Das Ausmaß und die Methoden der antijüdischen Gewalt, den größten Massenmorden an Juden vor der Shoah mit ca 150.000 Opfern in der Ukraine und Weißrussland, waren einschneidend und neu. Sowohl die Historiographie zum russischen Bürgerkrieg als auch besonders zu den antijüdischen Pogromen lassen in vieler Hinsicht noch zu wünschen übrig. Die präzise Rekonstruktion und Analyse der Historikergruppe um Elias Tscherikower, die das ostjüdische historische Archiv schuf, das nach zwei Jahren Sammeln und tätiger Hilfe in Kiev 1920/1921 nach Berlin flüchtete, wird den Forschungsstand wesentlich voranbringen. Die vor allem im YIVO liegenden Archivalien umfassen die damals gesammelten Dokumente und einen Großteil der Verwaltungs- und Korrespondenzakten sowie die Sitzungsprotokolle. Die große Fülle der Quellen ist noch nicht vollständig ausgewertet worden, da die Entzifferung der überwiegend jiddischen und russischen sowie oft handschriftlichen Quellen enorm zeitaufwendig ist. (Eine Hilfskraft wird in ca. 360 Std. Transkriptionen anfertigen.) Die jüdische Historikergruppe ist über die Geschichtsschreibung zu den Pogromen im Bürgerkrieg hinaus von übergreifendem Interesse, weil einige ihrer Mitglieder treibende Kräfte hinter der Gründung des YIVO 1925 waren. Sie stellte im Wesentlichen dessen historische Sektion. Die historiographische Bedeutung dieser Historikergruppe liegt unter anderem darin, dass sie als bisher unterschätzte Pioniere einer modernen jüdischen Geschichtsschreibung anzusehen sind, die sich wegweisend mit der antijüdischen Gewalt befasst.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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