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Direkte Suche nach Dunkler Materie mit dem XENON100-Experiment und ultrareines Xenon

Fachliche Zuordnung Kern- und Elementarteilchenphysik, Quantenmechanik, Relativitätstheorie, Felder
Förderung Förderung von 2011 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 193167445
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Nach dem heutigen kosmologischen Modell besteht nur etwa 1/6 der Materie im Universum aus Protonen, Neutronen und Elektronen. Der andere, größere Teil ist unsichtbar und wird daher Dunkle Materie genannt. Ihre Natur ist bisher völlig unklar, aber vieles weist auf eine uns noch unbekannte Art von Teilchen hin. Nach wie vor gelten WIMPs (Weakly Interacting Massive Particle) als ideale Kandidaten für Dunkle Materie, zum einen, da sie in den meisten Theorien jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik vorkommen, zum anderen, da sie im frühen Universum in der richtigen Dichte auf natürliche Weise erzeugt werden wurden. Mit sehr empfindlichen Detektoren wird weltweit nach der Evidenz für solche WIMPs geforscht, indem man nach der Streuung von WIMPs aus unserer Galaxie mit Kernen in einem dedizierten Detektor sucht. Dieser Detektor befindet sich üblicherweise in einem Untergrundlabor, um die kosmische Strahlung abzuschirmen. Im Rahmen dieses DFG-Projekts wurde an der Universität Münster eine Dunkle Materie-Gruppe aufgebaut, die sich intensiv am Experiment XENON100 im italienischen Untergrundlabor LNGS beteiligt hat. XENON100 suchte nach Weakly Interacting Massive Particles (WIMPs), die immer noch als die aussichtsreichsten Kandidaten für die uns noch unbekannte Dunkle Materie gelten. Das Experiment wurde von einer internationalen Kollaboration betrieben. Über mehrere Jahre war das XENON100-Experiment das empfindlichste Experiment auf diesem Gebiet aufgrund seiner großen Detektormasse und seines niedrigen Untergrunds. Es konnte aber nur Obergrenzen für den WIMP-Nukleon-Streuquerschnitt und keine Entdeckung von WIMPs liefern. Zur Zeit sucht das Nachfolgeexperiment XENON1T mit einer 20fach höheren Xenonmasse und einer entsprechend höheren Empfindlichkeit weiterhin nach WIMPs. In diesem DFG-Projekt hat die Münsteraner Gruppe wesentliche Detektorverbesserungen, Entwicklungs- und Analysearbeiten fur das XENON100-Experiment durchgeführt, sowie Technologien und Methoden entwickelt, die beider nächsten Generation von Experimenten zur Suche nach Dunkler Materie mit Xenon-Zweiphasen-Zeitprojektionskammern, wie XENON1T oder XENONnT, eingesetzt werden. Darunter zählt zum einen die rigorose Anwendung von Ultrahochvakuumtechnik, die es mit ermöglichte, beim XENON100-Experiment eine hinreichend hohe Elektronendriftlebensdauer zu erreichen. Weiterhin wurde eine Apparatur erfolgreich entwickelt, die die genaue Untersuchung von diffuser und spekularer Lichtreflexion beider Szintillationswellenlange von Xenon von 178 nm (im Vakuum-UV-Bereich) ermöglicht. Aufgrund Messungen mit dieser Apparatur konnten die beim Experiment XENON1T eingesetzten Teflonreflektoren weiter optimiert werden. Sehr wichtig für die spätere Entwicklung einer kryogenen Destillationssäule zur Entfernung von Krypton aus Xenongas war die im Rahmen dieses DFG-Projekts durchgeführte erfolgreiche Entwicklung einer 83mKr-Tracermethode und den dazugehörigen 83mKr-Zerfallsdetektoren. Wesentlich für die Ausbildung von Nachwuchswissenschaftler*innen aber auch zur Entwicklung von Kalibrations- und Reinigungsmethoden war der Aufbau einer kleinen Xenon-Zweiphasen-Zeitprojektionskammer in Münster. Für das Verständnis und der Auswertung der Dunkle Materie-Suchdaten des XENON100-Experiments war die Bestimmung der 3-dimensionalen Lichtsammeleffizienz sehr wesentlich. Das Projekt insgesamt kann als äußerst erfolgreich angesehen werden: Zum einen hat das XE-NON100-Experiment über mehrere Jahre die direkte Suche nach Dunkler Materie weltweit angeführt, zum anderen sind wesentliche Entwicklungen gelungen, die für das Nachfolgeprojekt XENON1T, aber auch für andere Xenon-Experimente wie die Konkurrenzprojekte LZ und PandaX, als auch für Xenon-basierte Experimente zur Suche nach dem neutrinolosen doppelten Betazerfall interessant sind. In der Arbeitsgruppe des Antragsstellers wird versucht, einen Teil der Reinigungsmethoden auf ein Projekt der medizinischen Bildgebung anzuwenden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • “Dark Matter Results from 100 Live Days of XENON100 Data” Phys. Rev. Lett. 107 (2011) 131302
    E. Aprile et al. (XENON100 Collaboration)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.107.131302)
  • “Dark Matter Results from 225 Live Days of XENON100 Data” Phys. Rev. Lett. 109 (2012) 181301
    E. Aprile et al. (XENON100 Collaboration)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.109.181301)
  • “In situ measurements of Krypton in Xenon gas with a quadrupole mass spectrometer following a cold-trap at a temporarily reduced pumping speed” JINST 8 (2013) P02011
    E. Brown, S. Rosendahl, C. Huhmann, C. Weinheimer and H. Kettling
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1088/1748-0221/8/02/P02011)
  • “Limits on spin-dependent WIMP-nucleon cross sections from 225 live days of XENON100 data” Phys. Rev. Lett. 111 (2013) 021301
    E. Aprile et al. (XENON100 Collaboration)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.111.021301)
  • “A novel 83m Kr tracer method for characterizing xenon gas and cryogenic distillation systems”, JINST 9 (2014) 10, P10010
    S. Rosendahl, K. Bokeloh, E. Brown, I. Cristescu, A. Fieguth, C. Huhmann, O. Lebeda, C. Levy, M. Murra, S. Schneider, D. Venos and C. Weinheimer
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1088/1748-0221/9/10/P10010)
  • “Exclusion of Leptophilic Dark Matter Models using XENON100 Electronic Recoil Data”, Science 349 (2015) 6250, 851-854
    E. Aprile et al. (XENON100 Collaboration)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1126/science.aab2069)
 
 

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