Landschaftsarchitektur zwischen professioneller Ästhetik und Laiengeschmack
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel der Untersuchung .Landschaftsarchitektur zwischen professioneller Ästhetik und Laiengeschmack' (Te 162/2-1) war es einerseits, das rezeptionsästhetische Verhalten der Bevölkerung gegenüber städtischen Freiräumen zu analysieren. Es zeigte sich, dass dieses Verhalten recht gut mit dem Begriff ,Ästhetik des Angenehmen' beschrieben werden kann. Man erwartet einen angenehmen Aufenthalt, der stark in Richtung Entspannung und Erholung geht, einen Ort zum Wohlfühlen. Typisch für die ästhetische Wahrnehmung ist ein entspanntes, etwas zielloses Interesse, dass sich auf nahezu alles beziehen kann, was im städtischen Freiraum vorhanden ist oder passiert. Ein besonderes (gezieltes) Interesse an Gestaltungsiragen ist nur bedingt vorhanden. Selbst noch im Ausnahmefail einer Parkbesichtigung ist das nicht viel anders. Insgesamt ergaben sich große Übereinstimmungen mit den Ergebnissen anglo-amerikanischer Untersuchungen, die im Kontext der .attention restoration theory' (Kaplan, Kaplan 1989) entstanden sind. Ziel der Untersuchung war es andererseits, die Unterschiede zwischen dem rezeptionsästhetischen Verhalten der Laien und der professionellen Ästhetik insbesondere der sich als .innovativ' verstehenden Landschaftsarchitekten herauszuarbeiten. Diese (innovative) professionelle Ästhetik ist im Wesentlichen gekennzeichnet durch Merkmale wie: • werkästhetische Orientierung; d.h. es geht um (wie auch immer definierte) fachliche Qualität, um .gute Architektur', nicht um bloßes .Gefallen', • gestaltästhetische Orientierung; d.h. es geht vor allem um Form und Gestalt des Freiraumes, nicht wie in der Laienästhetik, in der das freiräumliche Geschehen, das eigene Handeln, die Brauchbarkeit des Freiraumes eine sehr viel größere Rolle spielt, • hochkulturelle Orientierung; d.h. es geht um .Niveau' und nicht wie in der eher massenkulturell ausgerichteten Laienästhetik um ein eher .anspruchsloses Vergnügen', • Orientierung an der Kunst; d.h. erwünscht ist eine Art von kunstähnlicher Rezeption, nicht jenes entspannte, ungezielte Wahrnehmungsinteresse, wie es für die Laienästhetik typisch ist, • Orientierung am Neuen; d.h. es geht immer wieder um das ,Neue' oder .Innovative' als ästhetischer Wert an sich, wohingegen in der Laienästhetik dem Vertrauten eine sehr viel größere Bedeutung zukommt. • Orientierung am Ideal; d.h. es geht in der Entwicklung einer neuen Stilrichtung sehr schnell um die Verabsolutierung eines neuen Prinzips, weniger um das genau .richtige, wohl dosierte Maß', wie es für den Laiengeschmack typisch ist. Diese innovative professionelle Ästhetik bestimmt zwar weitgehend die fachlichen Diskurse, aber kaum die städtische Wirklichkeit, in der ein Altbestand an Freiräumen dominiert, der die Geschmacksvorstellungen der Bevölkerung nach wie vor prägt. Neue Gestaltungsstile der professionellen Ästhetik setzen sich gegenüber diesem riesigen Altbestand nur allmählich und - über .ästhetische Sickereffekte' - nur in dem Maße durch, wie sie sich letztlich einfügen und/oder eingepasst werden können in den breiten Geschmackskorridor des (noch) Angenehmen. Von dieser innovativen professionellen Ästhetik zu fordern, sich gleich auf das der Bevölkerung angemessene und angenehme Maß an ästhetischer Veränderung einzulassen (und nicht auf ,Sickereffekte' zu hoffen), hieße freilich, die psychologischen und ökonomischen Mechanismen der professionellen Ästhetik zu verkennen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Tessin, W., 2006: Ästhetik: Operationalisierung vager Vorstellungen?, S.45-49, in: Stadt+Grün, 55.Jg.,H.9
- Tessin, W., 2007: Hochkultur im Grünen?, S.30-36, in: Stadt+Grün, 56Jg., H.7