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Einfluss von Härtungseigenspannungen auf die werkstoffmechanischen Eigenschaften von Klebfugen und deren substratnahe Interphasen

Antragstellerin Dr.-Ing. Melanie Schumann
Fachliche Zuordnung Mechanische Eigenschaften von metallischen Werkstoffen und ihre mikrostrukturellen Ursachen
Förderung Förderung von 2011 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 193638093
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Verlauf der Härtungsreaktion eines reaktiven Klebstoffsystems ändert sich die Viskosität der Harz-Härter-Mischung mit fortschreitender Länge der Oligomere und mit der Erhöhung der Anzahl der Vernetzungspunkte. Die Gelierung setzt dann ein, wenn erstmals ein dreidimensionales Netzwerk der Polymerketten entstanden ist. Nach der Verglasung ist eine energieelastische Mikrostruktur vorhanden und die weitere Härtung ist diffusionsdominiert. Zwischen starr fixierten Fügeteilen entstehen nach Einsetzen der Gelierung im Klebstoff Schrumpfspannungen, die im frühen Stadium der Härtung mutmaßlich in der Lage sind, lokale Enthaftung zu verursachen und Festigkeit und Beständigkeit zu reduzieren. Deshalb hat das Projekt sich den Fragen nach der Quantifizierung der während der Härtung entstehenden Normalkräften und deren Auswirkung auf die lokalen mechanischen Eigenschaften von Polymer-Metall-Verbunden gewidmet. Zur Korrelation und polymermechanischen Interpretation der Effekte wurde die Härtungskinetik untersucht und ein Zeit-Temperatur-Umsatz-Diagramm (TTT-Diagramm) für das untersuchte Klebstoffsystem erstellt. Für die Eckpunkte des TTT-Diagramms wurden zur Ermittlung der Verglasung vorrangig DSC-Messungen, zur Bestimmung der Reaktionszeit bis zur Gelierung rheometrische Messungen und die im Rahmen des Projekts entwickelte Schrumpfdilatometer-Vorrichtung verwendet. Das Schrumpfdilatometer macht sich die Eigenschaft zunutze, dass nach Einsetzen der Gelierung ein unendliches dreidimensionales Polymernetzwerk vorhanden ist, welches in der Lage ist, Kräfte elastisch aufrechtzuerhalten. Chemisches Schrumpfen nach der Gelierung führt zu messbaren Kräften zwischen starr fixierten Fügeteilen, die in der verwendeten Vorrichtung mithilfe eines empfindlichen Kraftsensors registriert und digital aufgezeichnet werden können. So können zum einen der Zeitpunkt der Gelierung (erster messbarer Kraftanstieg) andererseits auch die maximalen Schrumpfkräfte bzw. -spannungen (Kraft nach vollständiger Härtung) bestimmt werden. Für die Bestimmung der Zeit bis zur Verglasung bei isothermer Härtung wurden DSC-Messungen derart durchgeführt, dass Proben nach verschiedenen Härtungszeiten gemessen wurden. Erreicht die gemessene Glasübergangstemperatur die Härtungstemperatur, so befindet sich das Polymer im verglasten Zustand. Sowohl für die Gelierung als auch für die Verglasung wurden verschiedene Modelle überprüft. Die Zeit bis zur Gelierung folgt wie erwartet der Arrhenius-Beziehung, für die Zeit bis zur Verglasung hat ein autokatalytisch gesteuertes Modell 2. Ordnung die beste Anpassung geliefert. Für die Iso-Umsatz-Kurven wurde ein empirisches Modell entwickelt, welches auf DSC-Messungen bei verschiedenen Härtungstemperaturen basiert. Die rheometrischen Untersuchungen ermöglichen eine Differenzierung der Zeit bis zur Gelierung und Verglasung für die Härtungsbedingungen „Normalkraftfrei“ und „Spalt konstant“. Der Vergleich der Ergebnisse zeigt, dass Gelierung und Verglasung sich für diese beiden Zustände innerhalb der Streuung nicht unterscheiden, die Höhe der Modulwerte jedoch unterschiedlich ist. Die unter konstantem Spalt in Gegenwart von Schrumpfspannungen gehärteten Proben weisen einen signifikant höheren Speichermodul auf. Zur Untersuchung der mechanischen Eigenschaften von unter Eigenspannungen und äußeren Belastungen gehärteten Klebverbunden wurden Mikroscherproben während der Aushärtung nach der Gelierung definierten mechanischen Belastungen ausgesetzt. Die Prüfung erfolgte unter Einsatz der Mikroskop-Extensometrie um die Auswirkungen verschiedener Eigenspannungsszenarien sowohl auf die makroskopischen Eigenschaften als auch auf die lokalen Eigenschaften im Querschnitt einer 300 µm breiten Klebfuge nach vollständiger Aushärtung zu untersuchen. Dabei wurden vorrangig vier unterschiedliche Spannungszustände erzeugt: 1) Konstanter Spalt, 2) Normalkraftfrei, 3) Aufbringen einer definierten konstanten Dehnung nach Einsetzen der Gelierung und 4) Aufbringen einer definierten konstanten Spannung nach Einsetzen der Gelierung. Proben wurden sowohl bei Raumtemperatur als auch bei 80 °C gehärtet. Die Härtung der Verbunde erfolgte in einer im Rahmen des Projekts entwickelten Vorrichtung, die wie bei dem zuvor beschriebenen Schrumpfdilatometer in der Lage ist, die während der Härtung entstehenden Kräfte zu messen und ebenso mithilfe eines piezoelektrischen linearen Nanopositioniersystem Kräfte bzw. Dehnungen in definierter Höhe von außen auf die Verbunde aufzubringen (3) und (4). Die Limitierung bezüglich der maximalen Kraft- bzw. Wegauslenkung ergab sich bauartbedingt durch das verwendete Positioniersystem. Die Ergebnisse zeigen, dass die Proben, die nach den Spannungszuständen 1), 3) und 4) bei einer Härtungstemperatur von 80 °C hergestellt wurden, im Rahmen der Standardabweichung gleiche Schubspannungs-Gleitungskurven und auch gleiche lokale Eigenschaften aufweisen. Die Proben, die normalkraftfrei gehärtet wurden besitzen eine etwas geringere Spannung am streckgrenzenähnlichen Spannungsmaximum, dafür aber eine höhere Dehnung. Dies wird als Hinweis darauf gewertet, dass sich in den Zuständen 1), 3) und 4) durch das Verstrecken des sich entwickelnden Polymernetzwerks eine Orientierung bewirkt wird. Eine nachhaltige Schädigung des Polymers konnte mit den gewählten, durch das Positioniersystem limitierten Belastungen, in Höhe von ca. 1 % der Festigkeit im ausgehärteten Zustand bzw. um Veränderung des Spalts um maximal 10 % nicht festgestellt werden. Erst bei einer Spaltänderung um etwa 30 % der Klebfugenbreite wurde eine signifikante Reduzierung der Verbundfestigkeit nach vollständiger Härtung beobachtet. Die Streuung der Versuche bei Raumtemperaturhärtung gibt Hinweise darauf, dass die Reaktionen, die in Fügeteilnähe ablaufen, bei Raumtemperatur bzw. erhöhter Temperatur unterschiedlich sind bzw. temperaturbedingt längere Härtungszeiten die für solche Reaktionen zur Verfügung stehende Zeitspanne vergrößern. Atmosphärische Einflüsse in Form von Feuchtigkeit und Kohlendioxid kommen als mögliche Einflussfaktoren auf die grenzschichtnahen Eigenschaften der Polymernetzwerke ebenfalls in Betracht.

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