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Mechanismen der Reizdiskrimination: Reihenfolgeeffekte und das Interne-Referenz-Modell

Antragstellerin Dr. Karin Maria Bausenhart
Fachliche Zuordnung Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2011 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 194055661
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Seit dem Anbeginn der Psychophysik wird versucht, die menschliche Fähigkeit zur Reizdiskrimination zu quantifizieren und deren zugrundeliegenden Mechanismen zu verstehen. Eine besondere Herausforderung für die psychophysische Theoriebildung ist dabei allerdings der sogenannte Typ-B-Effekt, der in der klassischen 2AFC Aufgabe zutage tritt. Hier sollen die Versuchspersonen zwischen einem konstanten Standardreiz s und einem variablen Vergleichsreiz c unterscheiden. Dabei hängt die Diskriminationssensitivität von der zeitlichen Reihenfolge der beiden Reize ab: Versuchspersonen sind typischerweise für Reizpaare der Reihenfolge sensitiver als für Paare der Reihenfolge . Dieser Typ-B-Effekt lässt sich nur schwer mit klassischen psychophysischen Modellen der Reizdiskrimination vereinbaren, kann aber durch die zusätzliche Annahme erklärt werden, dass nicht nur aktuelle, sondern auch vergangene Reizinformation in die Urteile einfließt. Das Interne-Referenz-Modell (IRM) formalisiert diese Idee durch die Annahme einer internen Referenz, die von Durchgang zu Durchgang dynamisch aktualisiert und mit dem jeweils zweiten Reiz des aktuellen Durchgangs verglichen wird. In der ersten Förderphase wurden sowohl analytisch als auch durch Monte-Carlo-Simulationen verschiedene Vorhersagen dieses Modelles abgeleitet (z.B. Typ-B-Effekte und sequentielle Effekte auf die wahrgenommene Reizgröße). Empirisch ließen sich diese Vorhersagen für verschiedene Modalitäten, Aufgabentypen und Reizgrößen bestätigen. In weiteren Arbeiten wurden kognitive Einflüsse auf diese interne Referenz untersucht, und Analyseroutinen entworfen, die die Untersuchung von Reihenfolgeeffekten wie dem Typ-B-Effekt künftig erleichtern sollen. In der zweiten Förderphase standen die Erweiterung des Geltungsbereiches von IRM und die inhaltliche Charakterisierung der Internen Referenz im Vordergrund. In diesem Rahmen konnten wir zeigen, dass der Typ- B-Effekt, und damit der Einfluss früherer Reizinstanzen auf unser aktuelles Reizerleben, auf verschiedene Aufgabendomänen und Modalitäten generalisiert werden kann. Daraus leitet sich ab, dass IRM einen allgemeingültigen Mechanismus an der eine Schnittstelle zwischen Wahrnehmung und Gedächtnis beschreibt. Im Einklang mit dieser Annahme nimmt der Typ-B-Effekt (als Indikator dieses Mechanismus) ab, wenn der zeitliche Abstand zwischen vergangen und aktuellen Reizinstanzen zunimmt (sprich, wenn die Repräsentation der Reizhistorie einem zeitlichen Zerfall ausgesetzt wird). Weiterhin konnten wir zeigen, dass der Integrationsprozess des IRM eine gewisse Flexibilität besitzt, so dass nicht nur über Reizinformation aus verschiedenen Dauerbereichen, sondern auch über verschiedene irrelevante Reizmerkmale hinweg integriert werden kann. Zumindest im Bereich der Zeitwahrnehmung weist dies darauf hin, dass die in der Internen Referenz repräsentierte Information nicht an konkrete Reizmerkmale gebunden ist, sondern eher eine abstrakte Codierungsform zeitlicher Information darstellt. Insgesamt konnten wir im Rahmen des vorliegenden Experimentes zu einem tieferen Verständnis der Prozesse beitragen, die der Entstehung von Reihenfolgeeffekten wie dem Typ-B-Effekt zugrunde liegen und die einen fundamentalen Aspekt der menschlichen Diskriminationsfähigkeit abbilden. Generell scheinen Wahrnehmungsprozesse nicht unabhängig von der Reizhistorie abzulaufen können – unsere Vergangenheit trägt zu unserem Erleben der Gegenwart bei.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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