Das Erkennen von Kohärenzbeziehungen beim Lesen von Sachtexten durch Schüler am Ende der Grundschule und nach Einstieg in die Sekundarstufe
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Um ein gutes Textverständnis aufzubauen, müssen Textrezipienten Kohärenzrelationen zwischen Textaussagen herstellen, also inhaltliche Beziehungen wie URSACHE – FOLGE. Diese mentale Leistung müssen auch Schüler beim Verstehen von Sachtexten, einer wichtigen Quelle für Wissenserwerb, erbringen. Wie dies jüngeren Schülern gelingt und welche Entwicklung sich dabei zeigt, war Gegenstand des Projekts. 36 Viertklässlern (mit Empfehlung für Hauptschule, Realschule und Gymnasium) und 36 Sechstklässlern (Haupt-, Real- und Gymnasialschülern) wurden Sachtexte präsentiert, die additive, kausale, adversative und temporal-vorzeitige Relationen enthielten. Die Texte wurden ausbalanciert in zwei Varianten vorgelegt, einer „expliziten Variante“, in der die Relationen durch Konnektoren markiert waren (und; weil/denn, aber/dagegen, bevor/zuvor), und einer „impliziten Variante“ ohne Markierung. Wie gut die Schüler die inhaltlichen Verknüpfungen herstellen konnten, wurde durch zwei off-line Methoden überprüft. Die Daten zeigen eine spezifische Entwicklung an: Nach einer frühen Phase, in der keine signifikanten Leistungsunterschiede bei der Herstellung der vier Relationen auftreten, werden zunächst kausale Relationen und mit einiger Verzögerung adversative Relationen entwickelt. Dagegen verbleibt die Leistung bei additiven und temporal-vorzeitigen Relationen auf niedrigerem Niveau. Mögliche Erklärungen für diese Entwicklung werden diskutiert, wobei der Relevanz der Relation für die Sinnentfaltung im Text eine zentrale Rolle zugesprochen wird. Das Entwicklungstempo ist sehr unterschiedlich. Während sich im Vergleich von Grundschülern mit Hauptschulempfehlung und Hauptschülern kaum Fortschritte zeigen, ist der Entwicklungsverlauf von Grundschülern mit Gymnasialempfehlung zu Gymnasiasten sehr dynamisch und führt an den Leistungsstand erwachsener Leser heran. Von der expliziten Markierung durch Konnektoren profitieren die Schüler unterschiedlich stark, am wenigsten die schwächeren Gruppen. Die verlangsamte Entwicklung von Hauptschülern zeigt die Notwendigkeit, diese Kinder stärker im Verständnis von Sachtexten zu fördern. Wenn inhaltliche Verknüpfungen für das Textverstehen weniger relevant sind, wie bei additiven Verknüpfungen, oder wenn andere Texteigenschaften eine Interpretation bereits stützen (z.B. durch lexikalische Opposition ausgedrückte Kontraste), oder wenn Sachtexte inhaltlich bekannte Zusammenhänge behandeln, ist die Markierung verzichtbar. Bei Verknüpfungen mit hohem Verarbeitungsaufwand sollten nicht nur Konnektoren vorhanden sein, sondern die Interpretation sollte darüber hinaus durch weitere Texteigenschaften „in die richtige Richtung“ gelenkt werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
-
Leseverstehen von Sachtexten: Wie Schüler Kohärenzrelationen erkennen. Erscheint in: Averintseva-Klisch, Maria & Peschel, Corinna (Hgg.): Aspekte der Informationsstruktur für die Schule (Arbeitstitel). Baltmannsweile: Schneider-Verlag Hohengehren. (Thema Sprache–Wissenschaft für den Unterricht, Bd. 12) (2014): 129-154
Becker, Angelika & Musan, Renate