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Partnerschaft als neues Prinzip der japanischen Kommunalpolitik: Wandlungspotenziale für bürgernahe Politik

Fachliche Zuordnung Sozial- und Kulturanthropologie, Außereuropäische Kulturen, Judaistik und Religionswissenschaft
Förderung Förderung von 2006 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 19452715
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Legitimationsprobleme und Steuerungsdefizite in Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrisen beschreiben das Dilemma, in dem sich Kommunen vieler entwickelter Dienstleistungsgesellschaften befinden. In Japan findet als Antwort auf dieses Dilemma seit mehr als einer Dekade ein grundlegender Wandel des Verhältnisses zwischen Bürger und Kommunen statt, der programmatisch unter dem Begriff der „gleichberechtigten Partnerschaft“ Einzug in die kommunalpolitische Praxis hielt. Durch funktionale Arbeitsteilung zwischen lokaler Wirtschaft, Kommune und Bürgern sollen Leistungen im Bereich der sozialen Dienste, des Umweltschutzes, der Stadtplanung u. ä. gesichert werden, die die Kommunen allein nicht mehr schultern können. Das Projekt ging der Frage nach, inwieweit Partnerschaften von Verwaltung und Bürgergruppen auf lokaler Ebene eine Erhöhung von Bürgernähe und Bürgerselbstverwaltung ermöglichen. Mithilfe kontrastierender Fallstudien in vier japanischen Kommunen wurden konkrete Kooperationsprojekte sowie deren Rahmenbedingungen, Konfliktlinien und Handlungsrestriktionen untersucht. Gewählt wurden einerseits Kooperationsprojekte in unterschiedlichen Politikfeldern, anderseits in Städten unterschiedlicher Größe, Lage und Beteiligungstradition, um die interkommunale sowie bereichsspezifische Varianz einzufangen. Die Ergebnisse zeigen, dass Partnerschaft keine pure Rhetorik ist: In der kommunalpolitischen Praxis in Japan ist ein Wandlungsprozess zu beobachten, der neue Formen politischer und sozialer Beteiligung umfasst und insgesamt auf mehr Bürgernähe von Verwaltungshandeln abzielt. Initiator ist bislang die Verwaltung. Ihr Motiv liegt in der Erwartung, Kosten zu sparen sowie die Bürger zu mehr Beteiligung anzuregen. Für die Bürgergruppen ist Partnerschaft eine Möglichkeit, Engagement öffentlich sichtbar zu machen und Anerkennung zu gewinnen, aber auch die Verwaltung zu mehr Bürgernähe und Offenheit zu „erziehen“. In der Praxis zeigt sich, dass die Institutionalisierung von Partnerschaft für die lokale Zivilgesellschaft neue Chancen für eine kooperative Kommunalpolitik bieten. Allerdings besteht nach wie vor das Problem, dass Bürger bei allem Engagement ressourcenschwache Partner sind. Eine gleichberechtigte Partnerschaft ist unter diesen Bedingungen illusionär. Für die Verwaltung versinnbildlicht das Partnerschaftsparadigma ein neues Verständnis vom Bürger. Das Partnerschaftsangebot dient der Mobilisierung und Aktivierung der Bürger, wenn auch jenseits realer politischer Mitbestimmung. Für den engagierten Bürger schafft Partnerschaft einen Zugewinn an Erfahrungen und Kompetenzen. Partnerschaft ist für die Bürger das Medium, sich selbst als aktives Mitglied der Gemeinde zu entdecken. Der Bürger als Partner hat somit ein doppeltes Gesicht: er dient als Referenzpunkt für kommunalpolitische Reformprozesse sowie gleichzeitig für zivilgesellschaftliches Selbstverständnis. Bürger und Kommunalverwaltungen bewegen sich aufeinander zu.

 
 

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