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Status, Tod und Ritual. Stadt- und Sozialstruktur Assurs in neuassyrischer Zeit.
Antragsteller
Professor Dr. Stefan R. Hauser
Fachliche Zuordnung
Ägyptische und Vorderasiatische Altertumswissenschaften
Förderung
Förderung von 2011 bis 2013
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 194778476
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Fragen der Sozialstruktur in der Stadt Assur während der neuassyrischen Zeit. Für deren Erörterung werden textliche und archäologisch-materielle Quellen herangezogen. Im Zentrum stehen dabei die zwischen 1903 und 1914 in Assur freigelegten Bestattungen des 9. bis 7. Jh. v. Chr. Gräber sind der archäologisch wiedergewinnbare Teil von Bestattungsritualen. Als solche sind sie das Ergebnis einer komplexen Mischung von allgemein-gesellschaftlichen und gruppenspezifischen Normen und Symbolen, durch die die abstrakten Vorstellungen der Bestattenden in Beziehung zu dem Individuum, seiner Stellung, seinem Status, seiner Bedeutung für und in der Gruppe gebracht werden. Gräber sind keine unmittelbaren Spiegel individuellen, ehemaligen Status. Sie erlauben aber vielfältige Rückschlüsse auf die jeweiligen Individuen, deren bestattende Gruppen und – vor allem im Vergleich zahlreicher Bestattungen – auf die allgemeinen Vorstellungen und Normen der Gesellschaft. Ausgehend von einer Analyse der Bestattungssitten verfolgt die zunächst als Habilitationsschrift verfasste Arbeit drei Ziele: Zum einen gilt es, das Verhältnis der Assyrer zum Tod und dem Umgang mit den physisch Toten anhand von Gräbern und vielfältigen Texten zu Jenseitsvorstellungen und Totenritualen aus dem 1. Jahrtausend v. Chr. zu untersuchen. Zum zweiten wird dargestellt, wie sich in dem Spannungsfeld von Norm und Abweichung individueller und gruppenspezifischer Status in neuassyrischen Bestattungsritualen abbilden. Während die bislang bekannten neuassyrischen Texte mit Bezügen zu Bestattungen generell aus königlichen Familienkontexten oder aus Ritualen stammen, bei denen die Übertragbarkeit auf reale Bestattungsriten fraglich ist, werden hierfür die von der Deutschen Orient-Gesellschaft in Assur freigelegten Gräber untersucht. Im Ergebnis lässt sich für Assur im 9. – 7. Jh. v. Chr. ein komplexes Normensystem für die Bestattung von Toten aufzeigen, in dem je nach sozialer Position (Alter, Geschlecht, Herkunft, soziale Zugehörigkeit) in bestimmter Weise bestattet wird. Auf dieser Gräberanalyse aufbauend wird in Verbindung mit der Hausarchitektur beschrieben, wie Bestattungen mit der Sozialstruktur Assurs verbunden sind. Zum dritten werden die Gräber mit der privaten und öffentlichen Architektur sowie textlichen Belegen für die Entwicklung der Stadt, v. a. Privatarchiven, in Beziehung gesetzt. So kann in dieser Arbeit ein neuer Zugang zu der Geschichte der Stadt Assur in der neuassyrischen Zeit gewonnen werden. Diese lässt sich nunmehr sehr viel differenzierter darstellen als bisher geschehen, wobei die Ergebnisse deutlich von den bislang gehegten Vorstellungen abweichen. So führt die Arbeit zu einer neuen Grundlage der Beurteilung der langjährigen Hauptstadt bis zu ihrer Eroberung und Zerstörung am Ende des neuassyrischen Reiches.
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen