Der globale Basar: Märkte als Orte ökonomischer und sozialer Inklusion
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Basierend auf den an mehreren Orten (Berlin, Prag, Warschau, Hanoi) durchgeführten ethnographischen Feldforschungen (multi-sited fieldwork) lässt sich zunächst konstatieren, dass soziale und ökonomische Beziehungen von Migranten in transnationale Netzwerke eingebettet sind. Diese nicht nur über zwei, sondern über viele nationale Grenzen hinausreichenden Kontakte beruhen in den untersuchten postsozialistischen Ländern in ganz entscheidendem Maße auf Kontakten, die bereits zu sozialistischen Zeiten von vietnamesischen Vertragsarbeitern und Studenten geknüpft wurden. Den Hintergrund der Entsendung von Studenten und Arbeitern bildeten bilaterale Verträge zwischen Sendeland (Vietnam) und Empfängerländern auf der Basis "sozialistischer Freundschaft". Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa waren die "sozialistischen Migrationspfade" ein entscheidender Motor zur Gründung von Basaren und internationalen Handelszentren. Von Migranten gegründete und von ihnen und anderen Gruppen frequentierte Märkte sind Teil von globalen Entwicklungen und neuen Migrationsbewegungen und spiegeln die wachsende Komplexität von Migrantennetzwerken wider. Wie die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, spielen die je besonderen historischen und politischen Bedingungen, unter denen sozio-kulturell diverse Märkte in verschiedenen postsozialistischen Gesellschaften entstanden sind, eine zentrale Rolle für die je spezifische lokale Prägung einzelner Märkte. Die zunehmende ethnische und religiöse Diversität in Märkten ist eines der herausragenden Ergebnisse der Forschung und besonders interessant mit Blick auf das soziale Miteinander. Des Weiteren verweisen die Resultate auf die Bedeutung der räumlichen Verortung der Märkte in den jeweiligen urbanen Zentren (Stadtmitte oder Peripherie) und somit auch auf die Interaktion verschiedener Gruppen und Akteure. Formen der Regulierung durch staatliche Behörden wirken ebenso auf Märkte als Orte interkultureller Dynamik wie auch interne Regulierungen, seien sie formell oder informell. Konflikte, Wettbewerb, Hierarchisierungen, linguistische Codes, Regeln der Höflichkeit und des Austausches sind ebenso Teil des Marktgeschehens wie auch Freizeitgestaltung, religiöse Praktiken, Feste, Unterhaltung und Vergnügen. Mit Blick auf legalen Status von Migranten, ihrem ökonomischen und politischen Hintergrund, den Zeitpunkt der Ankunft, Alter, Klasse und Geschlecht herrscht eine große Vielfalt im Markt. Märkte tragen zur Transformation urbaner Räume bei. Sie sind Orte der Begegnung und des Austausches verschiedener ethnischer und nationaler Gruppen, Orte, an denen Spannungen und Machtkonflikte ausgetragen werden, sie sind zugleich "gendered spaces" und religiöse Räume. Alltägliche Interaktionen in Märkten beeinflussen interkulturelle Beziehungen und vor allem die kulturelle Diversität ist eine Antriebskraft für die positive Entwicklung lokaler Märkte und für die Inklusion vieler unterschiedlicher Akteure. Insofern sind Basare Orte, an denen - über ökonomische Transaktionen hinaus - soziales Miteinander gelebt wird und Konvivialität einen hohen Stellenwert einnimmt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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2013. Bazaar Pagodas – Transnational Religion, Postsocialist Marketplaces and Vietnamese Migrant Women in Berlin. In: Religion and Gender. Vol 3, no.1, pp. 75-88
Hüwelmeier, Gertrud
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2013. Post-socialist Bazaars. Diversity, Solidarity and Conflict in the Marketplace. In: Laboratorium 5 (1): Russian Review of Social Research. Special Issue: The Social Lives of Postsocialism, edited by Caterina Borelli and Fabio Mattioli. pp. 42-66
Hüwelmeier, Gertrud
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2015. From ‘Jarmark Europa’ to ‘Commodity City.’ New Marketplaces, Post-Socialist Migrations, and Cultural Diversity in Central and Eastern Europe. In: Central and Eastern European Migration Review, Vol. 4, No. 1, June 2015, pp. 27–39
Hüwelmeier, Gertrud
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2015. Mobile Entrepreneurs. Transnational Vietnamese in the Czech Republic. In: Rethinking Ethnography in Central Europe. Hana Cervinkova, Michał Buchowski, Zdeněk Uherek (eds.). Palgrave Macmillan pp. 59-73
Hüwelmeier, Gertrud
