Effekte formativer Leistungsmessung auf Schülerleistungen und Lernmotivation im naturwissenschaftlichen Unterricht
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Formative Leistungsmessungen werden in der Lehr-Lernforschung als effektive Methode zur Steigerung von Schülerleistungen beschrieben. Allerdings variieren die Effekte stark in Abhängigkeit von Lerninhalt, Diagnoseverfahren und Art der Rückmeldung. Bei komplexeren Lerninhalten (z.B. konzeptuelles Wissen) sind formative Leistungsmessungen und Rückmeldungen schwieriger umzusetzen und in Studien eher weniger effektiv als bei einfachen Lerninhalten (z.B. Faktenwissen). Eine weitere Problematik ist die Einbettung formativer Leistungsmessungen in den Unterrichtsalltag. Verschiedene Lernplattformen und diverse Internetangebote eröffnen mittlerweile die Möglichkeit einer computergestützten Umsetzung. Vor diesem Hintergrund wurde in einem Forschungsprojekt erprobt, wie sich eine computergestützte, formative Leistungsmessung im naturwissenschaftlichen Unterricht realisieren lässt und welche Effekte ein formativer Test sowie unterschiedlich ausführliche Formen des automatisierten Feedbacks auf den Erwerb von Faktenwissen und konzeptuellem Wissen haben. Diesen Fragen wurde in einer experimentellen Unterrichtsstudie nachgegangen. Die teilnehmenden Schulklassen (10 Klassen, 261 Schülerinnen und Schüler, Mittelschulen, Realschulen und Gymnasien) wurden von ihren Lehrkräften in einer Unterrichtseinheit zum Thema "Anpassung von Vögeln an den Lebensraum Luft" unterrichtet. Während der Unterrichtseinheit wurde der Wissensenwerb mit zwei formativen Tests geprüft. Diese wurden auf der Lernplattform Moodle programmiert und mit einem Klassensatz Tablets durchgeführt. Die Rückmeldung wurde experimentell variiert. In jeder Klasse wurden zufällig drei Gruppen gebildet. Die Treatmentgruppe 1 erhielt nach jeder Testaufgabe ein ausführliches Feedback, Treatmentgruppe 2 erhielt eine Rückmeldung zur Korrektheit der Antwort. Die Kontrollgruppe musste keine formativen Tests bearbeiten, sondern auf den Tablets Texte zum Thema lesen. Zur Kontrolle der Effekte auf den Wissenserwerb wurden ein Pretest, ein Posttest und ein Behaltenstest durchgeführt. Ebenso wurden motivationale Aspekte vor, während und nach der Unterrichtseinheit mit Schülerfragebögen erfasst. Die Studie führte zunächst zu einem erwartungswidrigen Befund. Die Versuchsgruppe mit einfacher Rückmeldung der Gesamtpunkte hatte einen signifikant höheren Wissenszuwachs als die Versuchsgruppe mit ausführlicher Rückmeldung pro Item bzw. als die Kontrollgruppe mit Lesetexten. In einer weiteren Analyse konnte gezeigt werden, dass dies vor allem mit der Nutzung der ausführlichen Rückmeldung durch die Schülerinnen und Schüler zusammenhängt. Im Vergleich zum Lesen von Texten sind somit formative Tests mit einfachen sowie gut genutzten ausführlichen Rückmeldungen effektiver. Dieser Befund bestätigt vorliegende Studien, die eine hohe Varianz der Nutzung von Rückmeldungen durch Lernende beschreiben. Auch die Analyse der Bearbeitungszeiten deutet in diese Richtung. Der Befund passt auch in das Bild der bisherigen Ergebnisse zu formativer Leistungsmessung in den naturwissenschaftlichen Fächern. Metaanalysen zeigen, dass geringere Effektstärken zu erwarten sind als in sprachlichen Fächern bzw. Mathematik. Dies hängt sowohl mit der Komplexität der naturwissenschaftlicher Wissensinhalte zusammen, als auch mit der Tatsache, dass sich in Hauptfächern mit mehr Wochenstunden formative Lernverlaufsdiagnosen einfacher und effektiver umsetzen lassen. Eine Schwierigkeit in der hier voliiegenden Studie ist der Umfang der ausführlichen Rückmeldungen. Bei der Durchführung der formativen Tests konnte immer wieder beobachtet werden, dass die Schülerinnen und Schüler die Texte nicht oder nur kaum lesen und sofort weiterklicken. In wetterführenden Studien wären deshalb folgende Fragen zu klären: Welche Lerneffekte ergeben sich, wenn man auf eine Rückmeldung pro Item verzichtet und am Ende des Tests in Abhängigkeit der Gesamtpunktzahl eine ausführliche Rückmeldung gibt? Lassen sich die Nutzung der Rückmeldung und damit der Lerneffekt durch gezielte Übungen zum Umgang mit Feedback steigern?
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2012). Formative Leistungsdiagnostik - Grundlagen und Praxisbeispiele. Schulmanagement-Handbuch 141. München: Oldenbourg
Maier, U.; Hofmann, F. & Zeitler, S.
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(2012). Formative Leistungsmessung - Von einer Noten- zu einer Diagnosekultur. In: Stephan Gerhard Gruber (Hrsg.), Jahrbuch Schulleitung 2012 - Befunde und Impulse zu den Handlungsfeldern des Schulmanagements (S. 145-150). Köln: Carl Link
Maier, Uwe
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(2014). Computergestützte, formative Leistungsdiagnostik - Eine praktikable und effektive Methode. In: Schulvenwaltung Bayern, 37/6, 175-178 sowie Schulverwaltung Baden-Württemberg, 23/11, 296-299
Maier, U.
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(2014). Computergestützte, formative Leistungsdiagnostik in Primär- und Sekundärschulen. Ein Forschungsüberblick zu Entwicklung, Implementation und Effekten. Unterrichtswissenschaft, 42/1, 69-86
Maier, U.
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(2014). Evolutionäre Anpassung am Beispiel von Vögeln: Eine Unterrichtseinheit für den Biologieunterricht in der Sekundarstufe 1. In: Maier, U. (Hrsg.), Lehr- und Lernprozesse in der Schule: Referendariat. Bad Heilbrunn: Klinkhardt
Maier, U.; Wolf, N. & Randler, C.
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(2014). Formative Leistungsdiagnostik in der Sekundarstufe - Grundlegende Fragen, domänenspezifische Verfahren und empirische Befunde. In: Hasselhorn, M.; Schneider, W. & Trautwein, U. (Hrsg.), Jahrbuch der pädagogisch-psychologischen Diagnostik (S. 19- 40). Tests und Trends, N. F. Band 12. Göttingen: Hogrefe
Maier, U.
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(2014). Formative Leistungsdiagnostik mit Tablet: Diagnose und Förderung im Sachunterricht am Beispiel Vögel. In: Die Grundschulzeitschrift, 28/275.276, S. 52-55
Maier, U.; Wolf, N. & Randler, C.
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(2015). Leistungsdiagnostik in Schule und Unterricht. Schülerleistungen messen, bewerten und fördern. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, UTB
Maier, U.