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Genetische und funktionelle Untersuchungen zum Microphthalmia with linear skin defects (MLS) - Syndrom

Fachliche Zuordnung Humangenetik
Förderung Förderung von 2011 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 195162804
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das MLS (microphthalmia with linear skin defects)-Syndrom ist eine sehr seltene, X-chromosomal erbliche, neurokutane Entwicklungsstörung, die sich in der Regel im weiblichen Geschlecht manifestiert. Es ist ein klinisch sehr variables Krankheitsbild, das mit linearen Hautdefekten im Gesichts- und Halsbereich, Mikrophthalmie und Sklerokornea sowie mit Intelligenzminderung, Krampfanfällen, Agenesie des Corpus callosum, Katarakt, Kardiomyopathie, Analfehlbildung und Zwerchfellhernie als fakultativen Merkmalen einhergeht. Heterozygote pathogene Varianten in den bekannten X-chromosomalen Genen HCCS, COX7B und NDUFB11 wurden mit dem MLS-Syndrom assoziiert. Im Rahmen der zweiten Förderperiode dieses Projektes haben wir bei zwei vom MLS-Syndrom betroffenen Schwestern und ihrer gesunden Mutter den strukturell abnormen Karyotyp 46,X,del(X)(p22.1) identifiziert. Die terminale Xp-Deletion umfasst HCCS. Mit diesen Befunden deckten wir die genetische Ursache für das klinische Bild der Betroffenen auf und bestätigten, dass heterozygote HCCS-Funktionsverlustvarianten mit unvollständiger Penetranz einhergehen können. Für die Identifizierung neuer Krankheitsgene für das MLS-Syndrom-Spektrum bzw. ausgewählte dermatologische Krankheitsbilder führten wir Exom-Sequenzierungen bei sechs Patient:innen und gesunden Familienangehörigen durch. Bei einem Patienten identifizierten wir eine pathogene Variante in dem bekannten Krankheitsgen STRA6, bei einem zweiten Patienten fanden wir eine pathogene Variante in dem neuen Krankheitsgen SREBF1, bei einem dritten stellten wir eine duale molekulare Diagnose (SLURP1 und SLC39A4), und bei einer vierten Patientin deckten wir biallelische Varianten in einem Kandidatengen auf. An Fibroblasten eines Patienten mit typischen Merkmalen des MLS-Syndroms und der Missense-Variante p.(Ala217Val) im X-chromosomalen Kandidatengen HDAC6, das für die Histon-Deacetylase 6 kodiert, führten wir umfangreiche funktionelle Untersuchungen durch. Diese ergaben ein erniedrigtes Level an HDAC6, eine erhöhte Menge an acetyliertem α-Tubulin, verkürzte Zilien und eine erniedrigte Zelllebensfähigkeit sowie eine erhöhte Caspase-3/7-Aktivierung nach Staurosporin-Behandlung in Patienten- im Vergleich zu Kontrollfibroblasten. Im Rahmen eines zweiten funktionellen Projektes untersuchten wir die Auswirkungen einer homozygoten Missense-Variante im Kandidatengen TRADD, die bei einer Patientin mit schwerer, rezidivierender Ichthyose und Hyperkeratose vorlag. TRADD ist ein Scaffoldprotein des Tumornekrosefaktor-Rezeptor Typ 1 und an der Bildung von zwei Signalkomplexen als Antwort auf die Bindung von TNFα an den Rezeptor beteiligt. Durch die Missense-Variante wird die Bindung zwischen TRADD und der Komplex I-Komponente TRAF2 deutlich vermindert. Dem gegenüber wurde eine signifikant verstärkte Komplexbildung der TRADD-Mutante mit FADD und RIP1 (Komplex II) identifiziert. Wir nehmen an, dass die präferentielle Bildung von Komplex II in Zellen, die das mutierte TRADD exprimieren, zu einer gesteigerten Aktivierung des pro-apototischen Signalwegs führt. Zusammenfassend gelang es im Rahmen dieses Projektes, eine schwere Genodermatose durch eine duale molekulare Diagnose zu erklären sowie SREBF1 als neues Krankheitsgen für das IFAP-Syndrom und ein weiter zu bearbeitendes Kandidatengen für ein Fehlbildungssyndrom aufzudecken. Die funktionellen Studien zu Varianten in den Kandidatengenen HDAC6 und TRADD haben dazu beigetragen, detaillierte Einblicke in die pathophysiologischen Konsequenzen dieser Sequenzveränderungen in zellulären Modellsystemen zu erlangen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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