Rekonstruktion der spätpleistozänen/holozänen Landschaftsgeschichte in der südostbrasilianischen Küstenebene als Beitrag zur Paläoumweltforschung
Final Report Abstract
Um die Frage zu beantworten, wie sich klimatische und anthropogene Veränderungen seit dem Spätpleistozän auf den geomorphologischen Systemzustand im südostbrasilianischen Guapi- Macacu Flusseinzugsgebiet ausgewirkt haben, wurden im Rahmen des Projektes bodengeographische und fluvialmorphologische Untersuchungen durchgeführt. Dabei wurde vor allem auf klassische physikochemische Methoden und Radiokarbondatierungen zurückgegriffen. Insbesondere durch die Befunde aus den fluvialen Sedimentsequenzen konnte ein wissenschaftlich wertvoller Erkenntnisfortschritt gewonnen werden. Aus 13 chronostratigraphisch bearbeiteten Einzelprofilen wurde ein spätpleistozänes und holozänes, fluviales Standardprofil für das Guapi-Macacu Einzugsgebiet abgeleitet, welches sich aus vier Fazieseinheiten aufbaut und Rückschlüsse über das Verhalten des Guapi-Macacu-Systems während der letzten etwa 13.000 Jahre ermöglicht. Die Ergebnisse weisen auf mehrfache Wechsel in der Geomorphodynamik hin, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit durch großklimatische Veränderungen hervorgerufen wurden. Störungen der thermohalinen Nordatlantikzirkulation lösten an der Grenze zwischen Pleistozän und Holozän sowie am Übergang vom Mittel- zum Spätholozän eine Südwärtsverlagerung der innertropischen Konvergenzzone (ITCZ) aus, wodurch sich die Südatlantische Konvergenzzone (SACZ) während der Sommermonate mit dem Südamerikanischen Monsunsystem (SAMS) verbinden konnte. Im Untersuchungsgebiet wurden dadurch feuchtere Bedingungen und gehäuft Starkregen ausgelöst, welche zu geomorphodynamisch aktiven Phasen führten. Vor allem in steilen Hanglagen und unterhalb größerer abflusswirksamer Felsflächen fanden phasenweise erhebliche Bodenabträge statt. Im Früh- und Mittelholozän herrschten im Untersuchungsgebiet, bei einer vergleichsweise nördlichen ITCZ-Position, trockenere Klimabedingungen, was zu geomorphologischer Stabilität führte. Mit der neuzeitlichen Landnutzungsintensivierung der Region ging eine erneute Destabilisierung des Landschaftssystems einher im Zuge derer es an aufgelichteten Hängen zur verstärkten Bodenerosion kam. Während die geomorphologische Aktivitätsphase am Übergang vom Pleistozän zum Holozän seit längerem bekannt ist, wurden für das Holozän Süd- und Südostbrasiliens üblicher Weise stabile Verhältnisse postuliert. Die vorgestellten Ergebnisse aus den Flusstälern belegen jedoch überzeugend, dass diese Stabilitätsphase im Untersuchungsgebiet seit dem beginnenden Spätholozän zumindest phasenweise unterbrochen wurde. Somit ist die gegenwärtige Lehrmeinung zu pauschalisiert und sollte angepasst werden. Die Dissertationsschrift von André Kirchner hat gezeigt, dass Klima- und Nutzungsbedingungen das geomorphodynamische Prozessgeschehen in der Vergangenheit steuerten. Für die Zukunft sind eine Häufung von Starkniederschlägen und ein wachsender Nutzungsdruck in der Region prognostiziert. Die Ergebnisse aus der jüngeren Erdgeschichte lassen vermuten, dass es dadurch zur Landschaftsdestabilisierung verbunden mit großflächigen Hangrutschungen kommen wird. Diese werden v.a. in besiedelten Regionen sehr ernstzunehmende Naturgefahren für die Bevölkerung darstellen.
Publications
- (2011): Historische Landschaftsdegradation und aktuelle Nutzungsproblematik in der Serra dos Órgãos, Rio de Janeiro. – In: Coy, M., Neuburger, M. [Hrsg.]: Global Change: Herausforderungen für Lateinamerika. Innsbrucker Geographische Studien, Band 38: 11-25
Nehren, U.
- (2013): Impact of natural climate change and historical land use on landscape development in the Atlantic Rainforest of Rio de Janeiro, Brazil. – Anais Academia Brasileira de Ciências, 85(2): 497- 518
Nehren, U., Kirchner, A., Sattler, D., Turetta, A., Heinrich, J.
(See online at https://doi.org/10.1590/S0001-37652013000200004) - (2013): Rekonstruktion der spätpleistozänen und holozänen Landschaftsgenese im Guapi-Macacu Einzugsgebiet, Rio de Janeiro, Südostbrasilien. – Dissertation Universität Leipzig, 171 S.
Kirchner, A.