Umstrittene Sammlungen: Divergierende Ansprüche auf Eigentum in Debatten und Verhandlungen 40 Jahre nach der Verabschiedung der UNESCO-Konvention über rechtswidrigen Kulturgütertransfer
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Trotz eines beschwerlichen Anfangs des Projekts – mangelnde Bereitschaft von Museen, sich auf die zentralen Forschungsfragen einzulassen sowie weitgehendes Fehlen von offiziellen Restitutionsgesuchen an deutsche Museen – hat sich der ethnologische Teil des Forschungsvorhaben erfolgreich entwickelt. Für das ganze interdisziplinäre Vorhaben in all seinen Verzweigungen war die Frage, wie die 1970-er UNESCO Konvention gegen den illegalen Handel mit Kulturgut national umgesetzt und von den betroffenen Institutionen angewandt wird, richtungsweisend. Das ethnologische Projekt hat sich schwerpunktmäßig mit den verschiedenen Akteursgruppen befasst, die sich um umstrittene Artefakten und Sammlungen versammeln. Es hat deren Sichtweisen und Handlungsstrategien untersucht (vor allem mittels teilnehmender Beobachtung in Museen und in Kamerun), Gespräche mit zentralen Einzelakteuren geführt und Dokumentenanalysen vorgenommen. Diese Akteursgruppen waren: 1) Museen und Museumskuratoren, Behörden (beispielsweise das Auswärtige Amt, das Landeskriminalamt in München, hohe Beamte in Ministerien); 2) Antragsteller und ihre Rückforderungen sowie deren soziales und politisches Umfeld (die Nachfahren von zwei Königshäusern in Kamerun, die von deutschen Museen Artefakten aus dem Besitz ihrer Vorfahren zurückverlangen, weil sie während der deutschen Kolonialzeit geplündert worden waren); 3) vermittelnde bzw. entscheidende Institutionen (UNESCO Intergovernmental Committee for Promoting the Return of Cultural Property to its Countries of Origin or Restitution in Case of Illicit Appropriation; LeiterInnen von UNESCO Field Offices, aber auch Gerichte). Diese unterschiedlichen Sicht- und Handlungsweisen der verschiedenen Interessentengruppen wurden an Einzelbeispielen detailliert untersucht. Es waren dies folgende Artefakten/Sammlungen: ein Schiffschnabel der Duala (Kamerun), der sich im Museum Fünf Kontinente in München befindet, die Schalenträgerfigur der Nso‘ (Kamerun) im Ethnologischen Museum in Berlin; die in Deutschland konfiszierte Sammlung prä-kolumbischer Kunst des puerto-ricanischen Sammlers Leonardo Patterson; mehrere Khmer-Skulpturen, die während des Bürgerkriegs in Kambodscha geplündert worden waren und bei den Auktionshäusern Sotheby’s, Christies und, neben anderen, im Metropolitan Museum of Art in New York auftauchten und schließlich wieder an das Herkunftsland zurückgegeben wurden. Die illegale Beschaffung des Nachschubs – die Transformation von Repliken in Originale sowie die weiterhin stattfindenden illegalen Ausgrabungen/Tempelplünderungen – für den nach wie vor boomenden Antiquitäten- und Kunsthandel wurde auf einer interdisziplinären Teamreise nach Bangkok und Kambodscha untersucht. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die 1970er UNESCO Konvention ihre Wirkung entfaltet hat, jedoch den illegale Handel mit Kulturgut nicht verhindern konnte und kann. Immerhin ist es dieser Konvention (im Verbund mit der UNIDROIT-Konvention) und ihrer Organen gelungen, die Sensibilität für das Thema des illegalen Handels mit Kulturgut sowie für die Problematik der Provenienz zu steigern und moralisch-ethische Richtwerte einzuführen. Eine Reihe von Gründen ist dafür verantwortlich, dass dieser illegale Handel mit Kulturgut nicht unterbunden werden konnte: 1) die fehlende Retroaktivität der Gesetze und Vereinbarungen; 2) die Schwerfälligkeit der zur Verfügung stehenden gesetzlichen Regelungen in der Anwendung (Implementierung); 3) Korruption und Eigennutz unter denjenigen, die eigentlich für die Einhaltung der Gesetze und Abkommen zuständig wären; 4) sowie die Skrupellosigkeit von Händlern, die mit allen möglichen, auch illegalen, Mitteln, die unersättliche Nachfrage auf dem Antiquitäten- und Kunstmarkt zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen. 5) Eine entscheidende Rolle spielen auch private Sammler und öffentliche Institutionen, die sich nicht ernsthaft mit Fragen der Provenienz auseinandersetzen und illegal gehandeltes Kulturgut erwerben.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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The diversion of the village gods. A criminal turn in the biography of Balinese copperplate inscriptions. In: Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde 168 (1):74-99
Hauser-Schäublin, Brigitta
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Entangled in artefacts. Governing diverging claims and rights to cultural objects at UNESCO. In: Müller, B. (ed.): The Gloss of Harmony. The politics of policymaking in multilateral organisations, pp. 154-174, London: Pluto Press
Hauser-Schäublin, Brigitta
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Transkulturelle Perspektiven des Bewahrens: Der Tange oder Schiffschnabel zwischen Instrument der Tradition und Museumsobjekt. In Zur Ethik des Bewahrens: Konzepte, Praxis, Perspektiven. Anke Ziemer (Hrsg.) S. 58–68. Berlin: ICOM Deutschland
Splettstößer, Anne
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Der Schutz beweglicher materieller Kulturgüter auf internationaler und nationaler Ebene. In: Kultur als Eigentum: In: Groth, Stefan, Bendix, Regina F. und Achim Spiller (Hg.): Kultur als Eigentum. Instrumente, Querschnitte und Fallstudien, S. 83-96. Göttinger Studien zu Cultural Property Bd. 9. Göttingen: Universitätsverlag
Splettstößer, Anne und Alper Tasdelen
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Ein Kameruner Kulturerbe? 130 Jahre geteilte Agency: Das Netzwerk Tange/Schiffschnabel In: Groth, Stefan, Bendix, Regina F. und Achim Spiller (Hg.): Kultur als Eigentum. Instrumente, Querschnitte und Fallstudien, S. 199-223. Göttinger Studien zu Cultural Property Bd. 9. Göttingen: Universitätsverlag
Splettstößer, Anne
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From originals to replicas: diverse significance of Khmer statues. In: Groth, Stefan, Bendix, Regina F. und Achim Spiller (Hg.): Kultur als Eigentum. Instrumente, Querschnitte und Fallstudien, S. 269-293. Göttinger Studien zu Cultural Propterty, Bd. 9. Göttingen: Universitätsverlag
Miura, Keiko
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Von Tempelplünderungen in Bali zum internationalen Antiquitätenhandel. In: Tjoa-Bonatz, Mai Lin und Andreas Reinecke (Hg.): Im Schatten von Angkor. Archäologie und Geschichte Südostasiens, S.133-139. Darmstadt. Philipp von Zabern/Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Hauser-Schäublin, Brigitta
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„Cultural property“ im Rückblick. Der Eigentumsbegriff in unseren Forschungen: Gemeinsamkeiten und Unterschiede (gemeinsam mit Matthias Lankau). In: Groth, Stefan, Bendix, Regina F. und Achim Spiller (Hg.): Kultur als Eigentum. Instrumente, Querschnitte und Fallstudien, S. 163 - 175. Göttinger Studien zu Cultural Property, Bd. 9. Göttingen: Universitätsverlag
Hauser-Schäublin, Brigitta
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Looted, trafficked, donated and returned: the twisted tracks of Cambodian antiquities. In: Hauser-Schäublin, B. and L. V. Prott (eds.): Cultural property and contested ownership. The trafficking of artefacts and the quest for restitution, pp. 64-81. London: Routledge
Hauser-Schäublin, Brigitta