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Nachbarschaftsgruppen (tonarigumi) in Japan (1940-1945): Die Mobilisierung des Alltags der Kriegsjahre in vergleichend historisch-sozialwissenschaftlicher Perspektive

Antragsteller Dr. Maik Hendrik Sprotte
Fachliche Zuordnung Sozial- und Kulturanthropologie, Außereuropäische Kulturen, Judaistik und Religionswissenschaft
Förderung Förderung von 2011 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 196351342
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Zivilgesellschaftliches Engagement im Japan vor 1945 äußerte sich in drei Erscheinungsformen: (1) in einer oppositionellen und vom Staat mit Sanktionen bedrohten Vergesellschaftung, (2) in einer apolitischen zivilgesellschaftlichen Spielart im Bereich der Kultur, der medizinischen Vorsorge und Bildung sowie (3) als Erscheinung ihrer „dunklen Seite“ durch ein den autoritären Staat stützendes und seine Maßnahmen flankierendes Konzept von Zivilgesellschaft. Die Nachbarschaftsgruppen (tonarigumi) sind partiell der dritten Kategorie zuzuweisen, wenngleich sie aufgrund ihrer Multifunktionalität in einem System der kriegsorientierten Mobilisierung aller Kräfte des japanischen Mutterlandes einen dualen Charakter zwischen zivilgesellschaftlichem Engagement einerseits und administrativer Vereinnahmung durch die Behörden andererseits aufwiesen. Diese Einheiten sind mithin differenzierter zu betrachten, als das bisher in der Forschung der Fall war. Generell hat die Untersuchung gezeigt, dass dieser Organisationsform Eigenschaften beider gesellschaftlicher Felder innewohnten, die eine eindimensionale Kategorisierung, etwa als beispielloses Disziplinierungselement des Staates oder ihre Überhöhung als Ausdruck einer ebenso unbezwingbaren Subordinations- wie bedingungslosen Opferbereitschaft der japanischen Untertanen, ausschließen muss. Ungeachtet ihrer unbezweifelbaren Instrumentalisierung seitens des Staates in dessen nicht zuletzt ökonomisch begründeten Mobilisierungsvorhaben bot ein Mitwirken in den Nachbarschaftsgruppen, zumindest in ihrer Gründungsphase, gleichermaßen die Aussicht auf die Teilhabe an der Nation mittels eines Einsatzes für einen Krieg, der mehrheitlich als „gerecht“ und „notwendig“ erachtet wurde, wie die Chance auf die Umsetzung weitergehender sozialer und politischer Partizipationsansprüche als Belohnung für kriegswichtige Anstrengungen des Einzelnen nach einem zeitlich erst spät im Kriegsverlauf in Zweifel gezogenen Sieg. Die Untersuchung hat zudem die Notwendigkeit eines zweiten Differenzierungsschritts unabdingbar gemacht. Wenngleich in der Forschungsliteratur meist die Nachbarschaftsgruppe der Großstadt, zudem der Hauptstadt Tōkyō, Pars pro toto für diese landesweit entstandene Form der Vergesellschaftung steht, ist eine Unterscheidung der Großstädte untereinander aufgrund von deren administrativen Eigenheiten ebenso erforderlich, wie die Unterscheidung dieser sozialen Einheiten im großstädtischen, städtischen und ländlichen Raum unter Berücksichtigung der Unterschiede der Binnenstruktur der städtischen und ländlichen Gesellschaften bzw. der in ihnen entstehenden Nachbarschaftsgruppen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2012): Zivilgesellschaft als staatliche Veranstaltung? Eine Spurensuche im Japan vor 1945. Halle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (= Formenwandel der Bürgergesellschaft — Arbeitspapiere des Internationalen Graduiertenkollegs Halle-Tōkyō, Nr. 12) [43 Seiten]
    Sprotte, Maik Hendrik
  • (2013): „Zivilgesellschaft als staatliche Veranstaltung? Eine Spurensuche im Japan vor 1945.“ In: Foljanty-Jost, Gesine/ Hüstebeck, Momoyo (Hg.): Bürger und Staat in Japan. Halle/Saale: Universitätsverlag Halle-Wittenberg (= Schriften des Zentrums für Interdisziplinäre Regionalstudien, Band 3), S. 89–129
    Sprotte, Maik Hendrik
 
 

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