Retardierte Integrationsprozesse im Rahmen organisierter Kolonisation am Beispiel der deutschsprachigen Einwanderung in Misiones (Argentinien)
Final Report Abstract
Das Forschungsvorhaben diente der Erfassung der deutschsprachigen Einwanderung in das argentinische Nord-Ost-Territorium Misiones in ihren verschiedenen Migrationswellen, Herkunftsprägungen und Integrationsverläufen. Der Prozess der Eingliederung der frühen Kolonisten in die Wahlheimat verlief in Misiones deutlich langsamer als in anderen Einwanderungsregionen. Die Isolation in den Urwaldgebieten, mehr aber noch die Präsenz deutscher Geistlicher und Lehrer, als auch ein steter deutschsprachiger Nachwanderungsprozess nahmen von den Siedlern die Notwendigkeit, sich sprachlich und mental argentinisieren zu müssen. In den dreißiger Jahren lud dann der deutsche Staat die Assimilationsresistenz im nationalsozialistischen Sinne auf und subventionierte Schulen, Kirchen und deutsche Organisationen. Allerdings erreichte die Politisierung offenkundig nur einen kleinen Teil der Kolonisten. Es konnte nachgewiesen werden, dass in Misiones angesichts unterschiedlicher Migrationswellen (deutschsprachige Gruppen aus Brasilien, Russland, Polen, der Schweiz und dem Deutschen Reich), die jeweilige Konzentration auf die Gemeinde, die Organisation auf der Basis der landsmannschaftlichen Herkunft und das Prinzip der Subsidiarität die Bildung eines gemeinschaftlichen Deutschtums verhinderten. Der kultivierte Herkunftsdialekt differenzierte, die Konfession, die Herkunftsregion, die Kulturstufe, die Zukunftsvorstellungen. Die Kolonisten der unterschiedlichen Migrationswellen standen zwar in Kontakt miteinander und unterstützten einander auch, blieben sich aber dennoch fremd. Die unterschiedliche Herkunftsgeschichte, das Kulturgefälle von einem Jahrhundert der Reichsdeutschen zu den Brasildeutschen bzw. von zwei Jahrhunderten zu den Russlanddeutschen, ein anderes Wertegefüge, andere Bedürfnisse erwiesen sich vielfach als nicht überbrückbar und bewirkten eigenständige Prägungen. Spannungen entwickelten sich daher recht bald, wenn man auf Dauer zusammenleben musste, vor allem auf dem religiösen und dem politischen Feld. Die von kirchlicher Seite geförderten Siedlungsprojekte wie die privaten Kolonisationsunternehmungen bewegten sich im Rahmen der langfristigen volkstumspolitischen und ökonomischen Konzepte des Reiches nach dem Ersten Weltkrieg. Unter Einsatz möglichst geringer staatlicher Mittel sollten junge Arbeitslose im Ausland angesiedelt werden, um so den Arbeitsmarkt im Inland zu entlasten. Wie am Fallbeispiel Misiones gezeigt werden konnte, sollten in einer strategischen Lenkung dieser Auswanderung zugleich in geschlossenen Siedlungsgebieten das Deutschtum erhalten bleiben und durch die Fürsorge kirchlicher Kreise aus Deutschland gestützt werden. Eine beständige Fühlungnahme deutscher Gesandtschaften und Konsulate mit den Kolonisationsunternehmen und, wenn nötig, stabilisierende Intervention sollten Einfluss sichernd wirken. Letzteres ist bislang vereinzelt nachweisbar; eine systematische Untersuchung steht jedoch noch aus.
Publications
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"Procesos de integración retardados en el marco de una colonización organizada. El caso de la migración germanohablante en Misiones", in: Estudios Migratorios Latinoamericanos (Buenos Aires), Nr. 70/2011, S. 65-78
Meding, Holger M.