Referenzialisierung von Determinerphrasen im Diskurs
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In diesem Projekt wurden Referenzialisierungsprozesse im Diskurs untersucht und ein neurokognitives Modell der zugrunde liegenden Prozesse entwickelt, welches sowohl die funktionale als auch die zeitliche Komponente der Sprachverarbeitungsprozesse abbildet. Eine zentrale Fragestellung drehte sich dabei um den informationsstrukturellen Kontrast zwischen neuer und gegebener Information, der unter anderem durch Untersuchungen zu inferenzbasierten Prozessen beleuchtet wurde. Darüber hinaus wurde der Einfluss lexikalisch-semantischen, ontologischen, kontextuellen, pragmatischen und syntaktischen Wissens auf Referenzialisierungsprozesse untersucht. Die Rolle lexikalischer Informationen wurde anhand von Komplexanaphern (Ausdrücke, die auf ein Ereignis referieren) und inhärenten Eigenschaften von Nomen untersucht, während Mechanismen des Referenztransfers Aufschluss über pragmatische An reich eru n gs prozesse gaben. Diese Fragen wurden mit Hilfe elektrophysiologischer Messungen (sog. ereigniskorrelierte Potentiale, EKPs) untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass die Integration mit im mentalen Modell bekannter Information im zeitlichen Verlauf vor der Integration neuer Information bzw. der Reorganisation der Informationen im mentalen Modell statt findet. Die Befunde verdeutlichen, dass zeitlich und funktional differenzierbare Subprozesse, die den Referenzialisierungsprozess unterstützen, mit Hilfe von EKPMessungen identifiziert und spezifiziert werden können. Dabei konnten zwei EKP-Komponenten differenziert werden, die auf der einen Seite den Schwierigkeitsgrad der Etablierung einer Dependenz abbilden (N400-Effekt, d.h. ein negatives Potential um 400 ms nach Onset des kritischen Ausdrucks) und auf der anderen Seite die Reanalyse und Anreicherung der Informationsstruktur und damit Zunahme der Komplexität der Diskursrepräsentation reflektieren (späte Positivierung). Die Anbindung an gegebene Information (N400-Komponente) zeichnet sich dabei durch kontextuelle Modulationen aus, die von semantischen und informationsstrukturell relevanten Aspekten, wie Prominenz und Erreichbarkeit des potentiellen Referenten, beeinflusst werden. Hierbei wurde besonders deutlich, dass Anbindungsprozesse nicht rein semantischer Natur sind, sondern dass auch syntaktische Faktoren und referentielle Merkmale den Grad der Erreichbarkeit determinieren. Neben der Bekanntheit eines referentiellen Ausdrucks (Burkhardt, 2006), spielt die Interaktion unterschiedlicher Prominenzhierarchien bei der Integration in das mentale Modell eine zentrale Rolle. Die Differenzierung zwischen semantisch und pragmatisch definiten Ausdrücken (Burkhardt, 2008a) stellt eine solche Hierarchie dar, bei der der Grad der Bekanntheit eines Referenten mit Amplitudenmodulationen korreliert. In diesem Fall erleichtert der Grad der intrinsischen Bekanntheit die Integration in das mentale Modell. In ähnlicher Weise lizenziert kontextuelle Information den Referenztransfer (Burkhardt, 2008b, t.a.). Des Weiteren sind Antezedenten in Subjektposition prominenter als Objektantezedenten (Roehm & Burkhardt, 2008c). Die Form des Antezedenten beeinflusst die Wahl der Anapher ebenfalls, d.h. definite Aufnahme einer definiten DP sollte in gewissem Maße eine Prominenzverletzung darstellen, wohingegen indefinite DPs ohne weiteren Nachteil durch eine definite Anapher aufgenommen werden können (Roehm & Burkhardt, 2008c). Der ontologische Status eines Referenten ist schließlich ein weiteres Prominenzmerkmal, welches die Integration zu diesem frühen Zeitpunkt beeinflusst (Burkhardt, Schwarz-Friesel, Knees, Consten, t.a.). Darüber hinaus deuten Frequenzbandanalysen an, dass weitere Subprozesse differenziert werden können, die bei der Etablierung einer Dependenz involviert sind. Die Zunahme der Komp/exffäf der Informationsstruktw, die durch die späte Positivierung abgebildet wird, wird von semantisch-thematischen Faktoren, die die Etablierung einer weiteren thematischen Rolle bzw. die Reorganisation der vorhandenen Ereignisstruktur erfordern {Burkhardt, 2007a), und von kontextuell bedingten Anreicherungsprozessen bei der Verarbeitung des Referenztransfers (Burkhardt, 2008b) geleitet, sowie durch referentielle Merkmale (wie Definitheit) ausgelöst. Hier wurde daher eine pragmatische Charakterisierung dieser Positivierung vorgeschlagen. Insgesamt wird darüber hinaus deutlich, dass verschiedene linguistische Informationsquellen die beiden zentralen Diskurs integrations prozesse in unterschiedlichem Maße beeinflussen. Dabei treten pragmatische Integrations- und Anreicherungsprozesse relativ spät auf, während die Bewertung von Prominenzeigenschaften, die in mehreren linguistischen Domänen verankert sind, zu einem früheren Zeitpunkt miteinander interagieren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Burkhardt, P. Ereigniskorrelierte Potentiale semantischer Anreicherungsprozesse: "Der Champagner von Tisch 7 möchte bezahlen." In P. Khader, K. Jost, H. Lachnit, & F. Rosier. (Eds.). Beiträge zur 50, Tagung experimentell arbeitender Psychologen, Marburg: Papst, 122.
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Burkhardt, P. The P600 reflects cost of new information in discourse memory. Neuroreport, 18, 17, 1851-1854.
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Burkhardt, P. Two types of definites: Evidence for presupposition cost. In A. Gr0nn. (Ed.) Proceedings of SuB12. Oslo: ILOS, 66-80.
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Burkhardt, P., & D. Roehm. Definite descriptions and proper names reveal distinct demands during referential processing: Evidence from ERPs. Cognitive Neuroscience Society, New York City, NY, 86.
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Burkhardt, P., & D. Roehm. Differential effects of saliency: An event-related brain potential study. Neuroscience Letters, 413, 2,115-120.
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Roehm, D. & P. Burkhardt.The effects of the antecedent's definiteness and syntactic function on referential processing. Cognitive Neuroscience Society, San Francisco, CA, 222.